Archiv für den Monat: Mai 2018

Interview mit Felix Domke: „Auf jeden Fall hat das KBA mehr Biss als früher“

Über das Kraftfahrt-Bundesamt KBA ist in den vergangenen zweieinhalb Jahren wegen Dieselgate viel Häme ausgegossen worden. Eine Behörde, die im intensiven Kontakt mit den Autoherstellern steht, die die Industrie kontrollieren soll, aber erst Mitte 2016 eigene Prüfstände dafür bekam – wie glaubwürdig kann die denn sein?

Das Bundesverkehrsministerium führte seine Flensburger Experten an der kurzen Leine, ließ sich jeden geplanten Rückruf erst einmal vorlegen – insofern waren das KBA nicht allein verantwortlich für das zähe Abarbeiten der Diesel-Vorwürfe. Mittlerweile heißt der Verkehrsminister aber nicht mehr Alexander Dobrindt, sondern Andreas Scheuer. Unter ihm atmet das Ministerium spürbar auf. Scheuer leide nicht unter dem Kontrollwahn seines Vorgängers, heißt es, und er will die alten Dieselbetrugsfälle schnell vom Tisch haben. Will heißen: Bei welchem Motor auch immer die KBA-Experten merkwürdige Codes in der Steuerung entdeckten, soll jetzt schnell Klarheit geschaffen werden, notfalls per Rückruf.

Sogar Umweltexperte Axel Friedrich, Gottseibeiuns der Industrie und Zuarbeiter der Umwelthilfe, lobt das KBA mittlerweile – es trete selbstbewusster auf als früher, lasse sich von der Industrie nicht so leicht ins Boxhorn jagen und nehme externen Sachverstand in Anspruch

Einer, der das KBA von außen unterstützt, ist Felix Domke. Der Microsoft-Experte dechiffrierte 2015 das VW-Defeat Device und überwachte später zusammen mit Experten des KBA die Nachbesserungen an der Schummelsoftware des Opel Zafira. Auch heute noch arbeitet er für die Behörde, kann also wahrscheinlich gut einschätzen, wie sie sich in den letzten zweieinhalb Jahren veränderte.

 

Vor knapp zwei Wochen der Diesel-Rückruf bei Porsche, jetzt bei Daimler. Das Kraftfahrt-Bundesamt, das jahrzehntelang wie der verlängerte Arm der Autoindustrie wirkte, legt sich auf einmal mit den Herstellern an. Täuscht der Eindruck, oder hat das Amt tatsächlich mehr Biss als früher?

Auf jeden Fall. Klar ist das KBA in bestimmten Punkten immer noch eine Behörde. Aber die Mitarbeiter hören nicht mehr nur auf das, was ein Hersteller sagt.

Wie realistisch ist es, dass ein Amt den Entwicklungsabteilungen der Autohersteller auf Augenhöhe begegnet?

Das KBA ist durch seine Ressourcen beschränkt. Heute ist es überall schwierig, IT-Leute an sich zu binden. Die öffentliche Verwaltung kann keine Industrielöhne zahlen. Softwareexperten interessiert die Arbeitsplatzsicherheit einer Behörde normalerweise nicht, denn für sie gibt es überall attraktive Jobs. Ich persönlich arbeite konstruktiv mit dem KBA zusammen und hoffe sehr, dass die Verantwortlichen es schaffen, dort trotz aller Schwierigkeiten ein Team von IT-Experten aufzubauen.

Sie haben mit dem KBA zusammen die Schummelsoftware des Opel Zafira analysiert und sich danach die Codes weiterer Hersteller vorgenommen. Wie genau läuft die Zusammenarbeit?

Beim Opel Zafira bestand der Verdacht auf eine Abschalteinrichtung, und das KBA bat mich, eine vom Hersteller zur Verfügung gestellt Software, die eine Verbesserung darstellen sollte, zu untersuchen. Interne Unterlagen der Hersteller konnte mir das Amt dafür nicht zur Verfügung stellen, aber ich bekam Zugriff auf die Engine Control Unit, also das Motorsteuergerät. Zusammen mit den Ingenieuren des Herstellers nahmen wir Messungen vor, um zu zeigen, dass die neue Software nicht mehr das problematische Verhalten der ursprünglichen Software zeigt. Dabei ging es beispielsweise um die Frage, in welchen Fahrsituation sich die Abgasreinigung abschaltet, also etwa bei hohen Geschwindigkeiten oder Drehzahlen.

Wie sauber sind die Motoren nach der Modifikation?

Es geht bei den aktuellen Software-Nachbesserungen nicht hauptsächlich darum, dass die Autos im Realbetrieb sauber werden – das ist ja nur für aktuell neu zugelassenen Pkw vorgeschrieben. Bei den bisher untersuchten Modellen reicht wohl juristisch gesehen ein sauberes Verhalten im NEFZ-Prüfzyklus. Ob das Auto auch beim dynamischen Beschleunigen auf der Autobahn die Grenzwerte einhält, ist nebensächlich. Wichtig ist, dass es wieder sauber fährt, sobald es mit moderater Geschwindigkeit in der Stadt unterwegs ist. Die Abgasreinigung muss sich dann wieder einschalten. Das ist bei manchen Modellen nicht der Fall, und in diesem Punkt muss die Software korrigiert werden.

Wirklich viel ist für die Umwelt damit nicht gewonnen. Warum treibt das KBA so einen großen Aufwand und begnügt sich mit einem so mageren Ergebnis?

Mehr ist halt nicht drin, wenn an der Hardware nichts geändert wird. Die SCR Katalysatoren, mit denen wir zu tun haben,  sind klein und funktionieren bei höheren Geschwindigkeiten nicht mehr. Deswegen muss man dann die Abgasreinigung herunterfahren, um nicht noch giftigere Stoffe als Stickoxid zu produzieren. Diese Technik der Verbrennungsmotoren wurde über Jahrzehnte entwickelt und ist so gut wie ausgereizt.

Sie nehmen für Ihre Arbeit die Hilfe der Industrie in Anspruch. Warum?

Software-Analyse ist durchaus auch ohne den Hersteller zu schaffen, erfordern aber einen ungleich höheren Aufwand. In der Steuerungssoftware eines Motors sind zigtausende Daten verarbeitet, die per Hand entsprechend zugeordnet werden müssen. Die Dokumentation des Herstellers vereinfacht diese Aufgabe erheblich.

Wenn die Autofirmen in die Aufklärung eingebunden sind, können sie weiter tricksen.

Genau, dieses Risiko besteht natürlich. Es gibt zwar genormte Messverfahren für die Motorsteuerung, die in der gesamten Industrie verwendet werden. Diese Verfahren zu manipulieren wäre schon sehr riskant – da müsste jemand schon mit der gezielten Absicht zu betrügen ans Werk gehen. Aber natürlich wäre es noch besser, wenn sich so etwas komplett ausschließen ließe.

Trotzdem hört sich das nicht nach einer gleichberechtigten Zusammenarbeit an.

Klar, allein durch ihr umfassendes Wissen über die Software haben uns die Autohersteller bis zu einem gewissen Grad in der Hand. Das Ungleichgewicht zwischen Industrie und externen Kontrolleuren wird durch das automatisierte Fahren und die sehr komplexen dort verwendeten Algorithmen wahrscheinlich noch größer. Dazu kommt der Aspekt der Sicherheit. Heute sind die Mechanismen, mit denen sich die Autobranche gegen digitale Zugriffe abschirmt, veraltet. Künftig werden sich die Autobauer besser schützen. Dann können die Systeme aber auch noch schlechter als heute von außen kontrolliert werden. Deswegen müssen sie aus meiner Sicht gesetzlich verpflichtet werden, die Überprüfung ihrer Software in einem gesicherten Datenraum zuzulassen.

 

Formel E: Audi setzt auf den Heimsieg

Premium-Boost für die Formel E: Mit dem angekündigten Einstieg von Mercedes, BMW und Porsche mausert sich das Elektro-Rennen vom Nischenevent zu einer ernsthaften Größe im Motorsport. Heute um 18 Uhr startet das Rennen auf dem ehemaligen Flugplatz Tempelhof in Berlin. Die ARD berichtet zum ersten Mal live direkt vor dem DFB-Pokalfinale.

Der Deutsche Motorsportbund fördert den Wettkampf nach Kräften. Der Vorteil aus Sicht des Verbandes: Durch die Lage – die Rennen werden auf Stadtkurse ausgetragen – kann ein Publikum begeistert werden, das sich sonst nie für den Sport interessieren würde.  Nicht zuletzt brauchen die Autohersteller die Formel E, um ihre Kompetenz bei der Elektromobilität unter Beweis zu stellen. Audi ist als erster deutscher Pkw-Bauer seit der aktuellen Saison mit einem Werksprogramm dabei und setzt auf einen Heimsieg.

Trotz Einheit-Auto entscheidende Prozente herausholen

Viel Freiheiten lässt das Reglement den Teams nicht – vorgeschrieben ist ein Einheits-Auto, exakt 5000 Millimeter lang, 1790 Millimeter breit und 1070 Millimeter hoch. Das Mindestgewicht: 880 Kilo.

Auch die Leistung des Motors ist definiert: Im Qualifying-Modus sind es maximal 200 kW, im Rennen 180 kW (245) mit einer Höchstgeschwindigkeit von 225 Stundenkilometern. Also nicht wirklich schnell. Dramatisch können die Rennen trotzdem werden, dafür sorgen die engen Kurven auf den Stadtkursen, die Einheitsreifen mit vergleichsweise wenig Griff und die explosionsartige Leistung, die die E-Motoren bei Bedarf hergeben.

Audi-Projektleiter Tristan Summerscale setzt darauf, sich mit dem Antrieb von der Konkurrenz abzuheben. Es kommt auf die Effizienz an, sagt er – wer es beispielsweise schaffe, beim Bremsen ein Optimum an Energie in die Batterie einzuspeisen, könne entscheidende Leistungs-Prozente herausholen. Die Rekuperation ist eine Wissenschaft für sich:  “Wenn die Batterie voll ist, also zu Beginn des Rennens, kann man nicht rekuperieren”, erklärt Summerscale “ Am Ende geht’s aber auch nicht – dann ist die Batterie schon zu warm.” Und dann begrenzt das Reglement die Gesamt-Rekuperation auch noch auf 150 KW.

Der Fahrer muss also ständig mitrechnen. Verglichen mit der Formel 1 wird er mit wenig Live-Telemetrie von seinen Ingenieuren versorgt, sagt Tristan Summerscale. Der Erfolg hängt deswegen in hohem Maß vom Können der Piloten ab. Seine Form spielt eine wichtige Rolle, da alles innerhalb eines Tages stattfindet: Das erste und das zweite freie Training (nur 45 bzw. 30 Minuten), Qualifying, Rennen.

Fahrer und Techniker können heute immerhin auf Daten vom letzten Berliner Rennen zurückgreifen. Das ist in der Formel E nicht immer so – beim Wettkampf in Santiago beispielsweise war die Strecke neu, genauso in Zürich. Eine Herausforderung für die Teams.

Das neue Auto muss nicht getauscht werden

Das Auto muss übrigens nach der Hälfte des Rennens gewechselt werden, da die aktuelle Batterie noch keinen ganzen Lauf durchhält. Das wird mit der nächsten Saison anders. Dann startet das Gen-2-Auto mit einem deutlich leistungsfähigeren Akku (54 statt 28 kWh). Auch das Design wird ansprechender. Über die aktuelle Boliden lästerete Hans-Joachim “Strietzel” Stuck, Präsident des Motorsportbundes, schon einmal, er sei sich nicht sicher, ob er wirklich ein Auto oder nicht doch ein U-Boot vor sich habe.

 

HV der Porsche SE: Aufsichtsrat kann’s den Aktionären nicht recht machen

Minderheitsbeteiligungen an Technologie-Unternehmen, 100 Prozent an einer Verkehrsplanungsfirma – und dann noch die Mehrheit am weltgrößten Autohersteller VW: Die Stuttgarter Porsche SE ist ein wenig anders als andere Konzerne. Auf ihrer heutigen Hauptversammlung leitet sie einen behutsamen Generationswechsel ein. Der Aufsichtsrat, in dem bisher Vertreter der Eigentümerfamilien Porsche und zwei Externe sitzen, wird um den Wirtschaftsanwalt Günther Horvath, die BBDO-Managerin Marianne Heiß und Vertreter der Urenkel-Generation des Käfer-Erfinders Ferdinand Porsche erweitert: Josef Michael Ahorner (57), Stefan Piëch (47) und Peter Daniell Porsche (44). Das Sagen hat allerdings weiterhin Wolfgang Porsche (75), der dem Aufsichtsrat vorsteht.

Über die neuen Kontrolleure aus ist schon reichlich Häme geschüttet worden, weil sie angeblich über zu wenig Auto-Erfahrung verfügen – was erstens nicht korrekt und zweitens widersinnig ist, da es ja gerade Vollblut-Autoleute waren, die Volkswagen in seine schwere Krise steuerten. Dass die nächste Generation nichtts drauf hat, ist bisher eine reine Vermutung. Stefan Piëch immerhin pflegt seit Jahren die Kontakte der Erben ins Kanzleramt, seine “Your Family Entertainment” hat eine ansehnliche Auswahl an Kinderfilmen im Sortiment und betreibt zwei Pay-TV-Sender. Josef Ahorner hat bereits Aufsichtsratsmandate  bei Audi, Lamborghini und führt den Aufsichtsrat der von ihm gegründeten weltweit tätigen Emarsys, die eine Marketing-Platform betreibt. Peter Daniell Porsche leistet sich die Freiheit, in verschiedene kleinere Firmen zu investieren, etwa eine Brauerei und einen Vermittler von Interimswohnungen, außerdem sitzt er im Skoda-Aufsichtsrat. Kann schon sein, dass er keine Codes fürs autonome Fahren programmieren kann – Unfähigkeit kann man ihm frühestens in ein paar Jahren vorwerfen, sollten er und die übrigen neuen Aufsichtsräte tatsächlich keine eigenen Akzente setzen können.

Kompetenz hin oder her, die neuen Aufsichtsräte werden es schwer haben, sich zu beweisen. Zu groß ist der Ärger der Aktionäre über die Unsäglichkeiten, die bei VW in den vergangenen zweieinhalb Jahren publik wurden.  Wirtschaftswissenschaftler Christian Strenger gibt per se nicht viel auf die Kompetenz der Kontrolleure, ebenso wenig Daniel Jenderek von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz DSW, der die bisherigen Aufsichtsräte der Porsche SE mit “Kobolden” verglich, die “auf einem “Topf voll Gold” hocken. Jenderek wiederholte die Forderung, die Porsche SE solle bei VW solle “mit eisernem Besen” durchkehren – sprich: endlich für eine integre Unternehmensführung sorgen. Solange dies nicht geschehe, sei ihm nicht klar, wozu der Aufsichtsrat überhaupt vergrößert werden müsse. Auch ein Kleinaktionär wütet gegen die Kontrolleure: “Der Name Porsche oder Piëch ist für mich kein Qualifikationsmerkmal, um im Aufsichtsrat zu sitzen.” Bei anderen Unternehmen mit starken Eigentümerfamilien wie Henkell sitze ja auch nicht “die ganze Verwandtschaft im Aufsichtsrat”.

Daneben scheinen Kleinigkeiten die Aktionäre (noch) mehr zu bewegen als Dieselgate. Etwa die Frage, warum Brezen ohne Butter gereicht werden, wie teuer die Mappen seien, die zusammen mit den Unterlagen zur HV ausgereicht werden und die Frage, warum „kein Schwabe im Aufsichtsrat“ sitze. Am meisten Beifall erhält ein Aktionär, der sich auf die traditionelle Ausstellung aktueller Pkw-Modelle auf der HV gefreut hatte. Aus Kostengründen verzichtete die Porsche SE dieses Jahr darauf. Hätten Vorstandschef Hans-Dieter Pötsch mal besser anders entschieden! Das  Johlen und Klatschen der Anteilseigner zeigt, wie sehr sich die Anteilseignern für die Autos ihres  Unternehmens begeistern. Und das ist für künftige Vorstände und Aufsichtsräte ja auch irgendwie tröstlich.

Rundumschlag gegen VW-Aufsichtsräte

Volkswagen ist anders als andere Konzerne, mit selbstbewussten Eigentümer-Familien und mindestens genauso selbstbewussten Arbeitnehmern im Aufsichtsrat, die sich mit den Vertretern des Landes Niedersachsen im Aufsichtsrat abstimmen. So weit, so bekannt. Auf der Hauptversammlung gingen Aktionärsvertreter jetzt trotzdem mit der Arbeit des Aufsichtsrates ins Gericht, der Tenor: Von einer unabhängigen Kontrolle des Unternehmens könne keine Rede sein.

Wie unabhängig ist Marianne Heiß?

Grenzwertig findet es etwa der Wirtschaftswissenschaftler Christian Strenger, dass Marianne Heiß neu in das Kontrollgremium einziehen soll – obwohl die Finanzchefin der Werbeagentur BBDO mit umfangreichen Geschäftsbeziehungen von Volkswagen abhängig sei. Auch verfüge sie „weder über die für einen VW Aufsichtsrat erforderliche Finanzexpertise noch über ausreichende Erfahrungen in der Leitung oder Kontrolle börsennotierter Unternehmen“. Ähnlich ahnungslos sind in den Augen vieler Aktionäre die Vertreter der niedersächsischen Landesregierung. „Vor wer Landtagswahl wurde uns versprochen, dass anstelle der Politiker unabhängige Experten in den Aufsichtsrat entsandt würden“, kritisierte ein Redner. Nach der Wahl sei das Versprechen schnell vergessen worden.

Von den Vertreter der Eigentümerfamilien erwarten sich die kritischen Anteilseigner ebenfalls keine ernstzunehmende Kontrolle des Vorstandes. Wolfgang Porsche ist in den Augen Christian Strengers schlicht „nicht wählbar , nicht gewöhnen will sich Strenger auch daran, dass mit Dieter Pötsch ein früherer Finanzvorstand den Aufsichtsrat leitet, der möglicherweise 2015  gegen die Interessen von Anlegern handelte, indem er sie zu spät über Dieselgate informierte.

Argumente, die so oder so ähnlich schon auf früheren Aktionärstreffen geäußert wurden, ohne dass sich die Amtsführung des VW-Aufsichtsrates erkennbar änderte. Eine Aufsichtsrätin war gar nicht erst gekommen  – als wolle sie demonstrieren, wie gering sie ihre Funktion schätzt. Ferdinand Piechs Nichte Louise Kiesling blieb der Sitzung wegen „unaufschiebbarer Verpflichtungen“ fern.