Archiv für den Monat: September 2020

Fruchtloses Hickhack um die Gigafactory

Tag Eins im Erörterungstermin über die geplante Tesla-Fabrik in Grünheide. Drei Stunden nach dem Beginn der Veranstaltung ist man gefühlt keinen Millimeter weitergekommen. Anstelle einer Diskussion über das Vorhaben lieferten sich die Beteiligten schlechtgelaunte Wortgefechte über Verfahrensfragen. Livestream oder nicht, Wortprotokoll oder sinngemäße Zusammenfassung und die Frage, ob Vertreter von Tesla, die auf dem Podium keinen Platz mehr finden, auch unter den Einwendern sitzen dürfe – das Streitpotential zwischen Tesla-Gegnern und dem Landesamt für Umwelt scheint unerschöpflich. Besonders engagiert äußert sich die Sängerin Julia Neigel („Schatten an der Wand“), die den Brandenburger Behörden vorwirft, die Bevölkerung beim Genehmigungsverfahren außen vor zu lassen. Zuvor war die Forderung laut geworden, Versammlungsleiter Ulrich Stock, der im Landesamt für Umwelt für den Technischen Umweltschutz zuständig ist, wegen Befangenheit abzulehnen. Der Antrag wurde erwartungsgemäß abgelehnt, Stock lässt Neigel später irgendwann das Mikrofon abdrehen.

Stock ist Konfrontationen mit entzürnten Bürgern von früheren Verfahren gewohnt. Aber die Stimmung bei der Tesla-Erörterung, sagt er in einer Pause, sei schon „ungewöhnlich“. „Buhrufe haben wir normalerweise nicht“, berichtet er. Wahrscheinlich ist es ja eher so: Tesla hielt es bisher nicht für ratsam, sein Projekt mehr als nur rudimentär in der Öffentlichkeit zu verteidigen. Nolens volens übernahm die Brandenburger Landesregierung den Job, mit der Bevölkerung über die Gigafactory zu verhandeln. Gut im Sinn der Demokratie ist das nicht. Ministerpräsident Dietmar Woidke und Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (beide SPD) wurden als PR-Abgesandte für den Elektroauto-Hersteller missbraucht. Die Quittung bekommen die Behörden jetzt in Erkner. Der Termin in Erkner ist bisher auf drei Tage angesetzt. Aber dass man bis Freitagabend auch wirklich mit allen Einwendungen gegen die Tesla-Fabrik durchgekommen ist, glaubt hier im Moment niemand.

Batteriezellen und eigene E-Auto-Modelle aus Grünheide

Tesla bereitet seinen nächsten Antrag vor

Insgesamt drei Terawattstunden Speicherkapapzität will Tesla-Chef Elon Musk ab 2030 jährlich bauen können. Eine beeindruckende Zahl, für die der Standort Grünheide bei Berlin eine wichtige Rolle spielt: Mindestens für den Eigenbedarf sollen dort Zellen produziert werden, wie ein Tesla-Sprecher jetzt bestätigte. Ab wann, ist noch unklar. Für die Zellfertigung muss genauso wie für die Autoproduktion ein Antrag gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz gestellt werden. Konflikte mit Umweltschutzern sind programmiert, vor allem wegen des Wasserverbrauchs.

Unklar ist immer noch, wo das geplante Design- und Entwicklungszentrum hinkommt. Irgendwo im Großraum Berlin, man sei auf der Suche, heißt es. Künftige Modelle für Europa, möglicherweise auch für den globalen Markt sollen hier designt werden, wahrscheinlich auch das geplante preisgünstige Kompaktauto. Auch sollen in Berlin lokale Modellvarianten entstehen – das in Grünheide gefertigte Model Y wird also anders aussehen als die in den USA gefertigten Autos. Noch hält sich Tesla allerdings mit Einstellungen zurück. „Einige hundert“ Arbeitsverträge für Grünheide seien bisher geschlossen worden, berichtete ein Tesla-Vertreter. Schließlich gebe es ja noch nicht einmal einen genehmigten Bauantrag. Perspektivisch (bei einer Produktion von 500.000 Autos im Jahr) sind 12.000 Arbeitsplätze geplant, bei höheren Stückzahlen entsprechend mehr.

Steffen Schorcht

„E-Autos auf der Straße und für uns der Auspuff vor der Tür“

Anti-Tesla Aktivisten graut vor der Gigafactory Berlin

Während die Autobranche Elon Musks Ankündigungen vom „Battery Day“ verdaut, trudeln Tesla-Gegner, Vertreter des Herstellers und Anwälte zum Erörterungstermin in Erkner ein. Steffen Schorcht, wohl das bekannteste Mitglied der Bürgerinitiative „Grünheide gegen Gigafactory“ ist mit dem Rad gekommen. Er gibt sich „erleichtert, dass der Termin jetzt endlich stattfindet“ Die Einbeziehung der Bürger in die Tesla-Planungen findet er dürftig.

Per Luftlinie sind es von Schorchts Zuhause in Erkner nur ein bis zwei Kilometer bis zur Tesla-Baustelle. Wenn die Gigafactory ihre Arbeit aufnehme, würden fast 1000 Lkw und 23 Güterzüge pro Tag nach Grünheide donnern, prophezeit der 60-jährige promovierte Elektroingenieur. „Mit uns hat hat man noch nicht einmal über eine Lärmschutzwandgesprochen“, kritisiert er. „Man freut sich über Elektroautos auf der Straße, und wir haben den Auspuff vor der Tür.“

Tesla bedroht das Idyll

Auf den Anti-Tesla-Zug sprangen schon kurz nach dem Beginn der Proteste AfD-Angehörige und militante Antifa-Kräfte auf, zum Verdruss der meisten Umweltaktivisten. „Wir sind keine Fortschrittsverweigerer, leugnen den Klimawandel nicht, haben mit der AfD nichts zu tun“, erklärt Schorcht geduldig. Die meisten Tesla-Kritiker wohne im bildhübschen lauschigen Berliner Vorort-Idyll und wollen einfach nur, dass sich möglich wenig ändert. Mit Elon Musk und seine ambitionierten Plänen für die Fabrik in Grünheide stehen die Chancen dafür denkbar schlecht.

Politischer Flurschaden

Das Verhältnis zwischen den Gegnern der entstehenden Fabrik und der Politik könnte, milde gesprochen, besser sein. Steffen Schorcht mag der Versicherung des Brandenburger SPD-Wirtschaftsministers Jörg Steinbach nicht glauben, der Hersteller dürfe sich nur Wasser für bis zu rund 150.000 Pkw pro Tag vom lokalen Versorgungsverbund liefern lassen. „Steinbach sagt heute so und morgen so.“ Tesla selbst tut herzlich wenig, um die Bedenken der Anwohner zu zerstreuen. Presseanfragen werden regelmäßig abgewimmelt, Anfragen von Bürgern an eine Kommunikationsagentur verwiesen.

Eine ganze Reihe von Naturschutzverbänden haben sich der Anti-Tesla-Bewegung angeschlossen, unter anderem die Naturfreunde in Berlin, die Grüne Jugend Berlin und Brandenburg und der lokale Naturschutzbund. Wütend macht die Umweltschützer besonders das öffentliche Statement eines Behörden-Vertreters. Unter den Einwänden, die beim Erörterungsverfahren geltend gemacht werden, hieß es bereits vor der Erörterung, sei keiner, der die Gigafactory ernsthaft gefährden könnte.

Politisch heikel ist die Vorab-Genehmigung für den Bau der Fabrik ja ohnehin. Wer glaubt schon, der Wille der Bürger spiele eine Rolle, wenn die Mauern der Fabrik bereits hochgezogen werden? „Die Demokratie wird ausgehebelt“, sagt Uwe Hiksch von den Berliner Naturfreunden „Ich habe bei vergleichbaren Erörterungen oft verloren“, argumentiert er. „Das ist völlig in Ordnung. Aber wenn ich von vorneherein weiß, dass ich kein Recht bekommen werde, ist das inakzeptabel.“

Twitter / Elon Musk

414 Versuche, die Tesla-Gigafactory zu stoppen

Showdown in der Turnhalle: Gegner der Fabrik ,Vertreter von Tesla und der Behörden beim Erörterungstermin

Auf dem Gelände der geplanten Tesla-Gigafactory in Grünheide östlich von Berlin wachsen die ersten Gebäude in die Luft, schon denkt der Elektroauto-Pionier über eine Erweiterung seiner Fabrik nach.  Die Dimensionen sind atemberaubend, bis zu zwei Millionen Pkw will Tesla-Gründer Elon Musk östlich von Berlin einmal bauen lassen. Aber jetzt erst kommt es zur öffentlichen Erörterung über die Einwände der Tesla-Gegner. Wegen Corona musste der ursprünglich für März geplante Termin verschoben werden.

Tesla trägt die Kosten

Die Front der Tesla-Gegner ist beachtlich. Insgesamt 414 Einwendungen gegen die Fabrik liegen vor, berichtete gestern Ulrich Stock vom Brandenburger Landesamt für Umwelt. Für den Auftakt wurde die wenige Kilometer vom Tesla-Baugrundstück entfernte Stadthalle von Erkner gewählt. Nur direkt Beteiligte dürfen die Halle betreten, die Presse wird in ein eigens aufgebautes Zelt daneben verwiesen. Erste Entscheidungen über den Bauantrag sind in Erkner zwar noch nicht zu erwaraten. Das Landesamt für Umwelt, das über die Baugenehmigung entscheidet, wird aber wohl eine vorläufige Einschätzung zu einzelnen Einwendungen abgeben. Eine endgültige Entscheidung wird es allerfrühestens im November geben. Im für Tesla ungünstigsten Fall muss der Hersteller alles, was bisher auf dem Gelände Gegen den Bescheid des Landesamts für Umwelt kann geklagt werden. Allerdings hängt es von den zuständigen Gerichten ab, ob Klagen eine aufschiebende Wirkung entfalten, sprich: die Fertigstellung der Fabrik verhindern können.

Soll trotz Corona jedem Einwender Platz bieten, der seine Kritik persönlich vortragen will: Stadthalle Erkner

Hauptthema: das Wasser

Vorerst hofft Erörterungs-Leiter Ulrich Stock, innerhalb von drei Tagen, an denen bis in den Abend hinein beraten werden dürfte, mit den Einwendungen durchzukommen. Der größte Teil der Beanstandungen bezieht sich auf die – angebliche oder tatsächliche – Gefahr, die Tesla für die Wasserversorgung der Region darstellt. Schon heute macht sich der Klimawandel bemerkbar, sinken die Pegel der Flüssel und Seen. Mit einem Wasserbedarf von 238 Kubikmeter pro Stunde (laut ursprünglichen Planungen waren es noch 372 Kubikmeter) geht der Hersteller tatsächlich an die Schmerzgrenze dessen, was die bislang erschlossenen Ressourcen der Region hergeben. Dabei bezieht sich der aktuelle Bauantrag nur auf die erste Ausbaustufe des Werkes mit einer Kapazität von etwa 150.000 Autos im Jahr. Will Tesla mehr Pkw bauen, muss es womöglich die Oder anzapfen und deren Wasser aufwendig filtern. 

Die Kosten trägt Tesla

Für die Kosten des Erörterungsverfahrens muss Tesla aufkommen. Der Hersteller ist genauso für die Hallenmiete, das technisches Personal, bis hin zu Wasserflaschen und Müsliriegeln für die Presseleute zuständig. Dazu kommen 1600 Euro pro Erörterungs-Tag, die die Behörden Tesla in Rechnung stellen. Die Gebühren für das gesamte Genehmigungsverfahren leiten sich vom Investitionsvolumen ab und liegen im Millionen-Bereich, heißt es. Aber was heißt das schon bei einer Gesamtsumme von bis zu vier Milliarden Euro, die die Gigafactory kosten dürfte.