BMW: vielleicht nicht sexy, aber vernünftig

Ein neues Ingieurslabor für BMW:  Unwelt des Forschungs- und Innovationszentrums in München-Milbertshofen feierte der Hersteller heute den Baubeginn für sein “Kompetenzzentrum Batteriezelle”. In den nächsten vier Jahren werden hier 200 Millionen Euro investiert, 200 Experten forschen hier auf 13 000 Quadratmetern ab 2019  an den Energielieferanten künftiger Pkw.

Nur ein paar Meter weiter, im Prototypenbau entsteht gerade der E-Antrieb, mit dem ab 2021 der Hoffnungsträger iNext fahren soll – weitgehend autonom und mit einer Reichweite bis zu 750 Kilometer. Ein iNext hört sich gut an, ähnlich wie der “i Vision Dynamics”, der schon vorher die Straße berühren soll. Doch jenseits futuristischer Rhetorik wirkt BMW im Moment im Vergleich mit den Wettbewerbern defensiv. Mercedes bringt ab 2019 den reinen Crossover-Stromer EQC. Darauf folgen zwei weitere SUV, zwei Limousinen und drei kleine Stromer. Der Smart wird ohnehin zur Gänze elektrifiziert. VW investiert gleich 20 Milliarden Euro in 80 neue E-Modelle. Volvo verpasst allein seinen Autos ab 2019 einen E-Motor, der bei Bedarf durch einen Verbrenner ergänzt wird. 

Gebremster Optimismus, selbst auf der CES

Und BMW? Stand heute hat der Hersteller nur einen einzigen reinen Stromer im Programm, den i3. Gemessen am Anspruch der Münchner, Technologieführer zu sein, wirken sie bedächtig. Vorbei der Optimismus  von 2008 und den Jahren danach, alsBMW in Moses Lake/Washington, in Dingolfing, Landshut und Leipzig Werke hochzog, um eine Serienproduktion superleichter Karbonkarosserien zu ermöglichen. 

Aufs Karbon  würden sie heute im Nachhinein wohl lieber verzichten, denn mittlerweile steht fest, dass bei den Batterien weit höhere Gewichtseinsparungen möglich sind. Vielleicht ist es ja der Frust über den Kohlefaser-Flop und die schwachen Verkaufszahlen des i3 , weswegen BMW jetzt eher vorsichtig fährt. Selbst seine Fortschritte beim Autonomen Fahren und der Connektivität verkauft BMW eher defensiv. Auf der CES 2018 wird das Unternehmen nur mit einem abgespeckten Programm präsent sein. 

Am Geld kann’s jedenfalls nicht liegen, dass BMW auf einen lautstarken Auftritt verzichtet. Der Duisburger Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer veranschlagt die Eigenkapitalquote von BMW auf ein kommodes Drittel der Bilanzsumme. Die Angst vor Ärger auf der Hauptversammlung kann’s auch nicht sein, der das Management davon abhält, Geld in neue Modelle zu investieren. Fast die Hälfte der Stammaktien gehört der Familie Quandt / Klatten, die ihr Kerninvestment vermutlich eher weiterentwickeln will, anstatt auf stabile Quartalsergebnisse zu pochen.

Angst vor Investitionen?

Dudenhöffer argwöhnt, dem Aufsichtsrat fehle die nötige Entschlusskraft, um Vorstandschef Harald Krüger das Okay für weitere milliardenschwere Entwicklungsprogramme zu geben. Lieber die Rendite um ein paar Zehntel-Prozentpunkte nach oben schrauben, als das Thema Elektromobilität beherzt anzugehen – das würde immerhin zu den Zweifeln passen, die Aufsichtsratschef Norbert Reithofer schon mal an den politischen Vorgaben in Richtung Elektromobilität angemeldet hat.

Entwicklungschef Klaus Fröhlich sieht das alles naturgemäß vollkommen anders. Stromgetriebene Autos würden sich in den weltweiten Absatzmärkten mit sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit durchsetzen, gibt er zu bedenken. Deswegen komme es auf Flexibilität an. Was nutzt BMW schon das nächste amibionierte Modell mit eigener Elektro-Architektur, wenn weder in Europa noch in weiten Teilen der USA die Kunden nach Stromern fragen?

Nur eine Architektur für alle Antriebe? Eine schwierige Tüftelei

Bei BMW setzen sie jedenfalls jetzt lieber auf Nummer sicher und arbeiten daran, jedem einzelnen BMW-Modell hybride und vollelektrische Antriebsstränge zu verpassen, so dass der Kunde wählen kann, wonach ihm der Sinn steht. Ab 2021 soll das möglich sein. Die Ingenieure stellt die neue Flexibilität vor Herausforderungen: Eine Plattform zu entwickeln, die für ein und dasselbe Auto sowohl eine große, flache Batterie erlaubt wie beim i3, als auch einen konventionellen Motor oder ein Hybrid-Aggregat – das ist, als solle eine Immobilie bei Bedarf als Einfamilienhaus, als Garage oder als Arztpraxis genutzt werden können. Technisch werden die Konstrukteure vermutlich zum einen oder anderen Kompromiss gezwungen, der nicht besonders elegant daherkommt, dafür umso pragmatischer.  Oder, wie es Fröhlich vermutlich formulieren würde: Vielleicht nicht sexy, aber vernünftig. 

Die Freude am Kalkulieren

Den Vorwurf, sie würden bei der Elektromobilität hinterherhinken, wollen sie sich bei BMW trotzdem nicht gefallen lassen. BMW habe viel früher als die Wettbewerber, nämlich schon mit dem Start des i-Programms 2008, begonnen, Know-How über Batterien  und Elektromotoren aufzubauen, betonen die Ingenieure. Mittlerweile seien sie sozusagen beim Feinschliff angekommen. Das betrifft vor allem die Batterien: Energiespeicher irgendwo zukaufen kann jeder – BMW dagegen will künftig seinen Zulieferern genaueste Vorgaben über die technischen Features der Zellen machen können.

Deswegen wird zurzeit im Prototypenbau an der perfekten Zelle, dem perfekten Modul (die nächstgrößere Einheit) und dem perfekten kompletten Akku gearbeitet. Dabei geht es nicht nur um technische Qualität, sondern auch die wirtschaftliche Optimierung. BMW will in der Lage sein, den Einsatz sämtlicher Materialien durchkalkulieren zu können, auf dass es von Zulieferern nicht über den Tisch gezogen werden kann. Auch das gehört schließlich zur Technologieführerschaft, wird Vorstand Fröhlich nicht müde zu betonen: Innovationen nach vorne treiben – und dabei ständig die Kosten im Blick zu haben.


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