Anwälte kämpfen um geschädigte VW-Besitzer

Bis zum 30. September müssen sich Pkw-Halter, die ein Auto mit dem toxischen VW-Motor EA 189 fahren, entscheiden: Wollen sie sich der Musterfeststellungsklage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZBV) und des ADAC anschließen, auf eigene Faust klagen – oder sich die Mühen einer gerichtlichen Auseinandersetzung komplett sparen?

2,8 Millionen Motoren der Reihe EA 189 gibt es angeblich in Deutschland. Rund 430 000 Autobesitzer haben sich der Musterfeststellungklage bisher angeschlossen. Sie müssen zunächst nichts tun, außer abzuwarten, wie das OLG Braunschweig beziehungsweise der BGH urteilen.

Zähes Musterverfahren befürchtet

Klingt praktisch, ist es aber nicht, argumentieren jetzt verschiedene Juristen, unter anderem die Kanzlei Gansel Rechtsanwälte. Das Musterverfahren werden sich vermutlich ewig hinziehen, sagen sie. Zu erwarten sei ein zähes Ping-Pong zwischen BGH und OLG Braunschweig, ähnlich dem Telekom-Anlegerprozess. Und selbst wenn die Richter irgendwann feststellen würden, dass VW seine Kunden übervorteilt habe, müsse immer noch jeder Autofahrer die Höhe der Entschädigung in einem gesonderten Verfahren feststellen lassen.

Viel effizienter und schneller geht es mit einer Individualklage, sagt Philipp Caba, der bei Gansel Rechtsanwälte das Diesel-Team leitet. Die Kanzlei führte zuletzt bis zu 1200 Gerichtstermine pro Monat, die meisten davon für Besitzer eines EA 189-Autos. Sie arbeitet mit dem Prozessfinanzierer Therium zusammen. Er ninmt Kunden gegen eine Erfolgsbeteiligung von rund 20 Prozent das finanzielle Risiko einer Klage ab.

Die Erfolgsaussichten seien knapp vier Jahre nach Bekanntwerden von Dieselgate denkbar gut, sagt Caba. „Die Kläger gewinnen fast jedes Verfahren.“. Außer in Braunschweig würden die deutschen Landgerichte mittlerweile größtenteils im Sinn der Verbraucher entscheiden.

Wobei „gewinnen“ für Caba auch beinhaltet, dass sich VW mit den Klägern vergleicht, sobald sich eine Niederlage für den Hersteller abzeichnet. Vielfach, berichtet Caba, überweise VW einfach in letzter Minute den geforderten Betrag unaufgefordert auf das Konto des Pkw-Besitzers. Alles nur, um einen verbraucherfreundlichen Richterspruch zu verhindern.

Anfang 2020 wird der BGH in einem Verfahren urteilen, das vom Prozessfinanzierer myRight geführt wird. Interessant wird sein, ob und wie sich der Richterspruch auf die Musterfeststellungsklage auswirkt. Sollten sich die obersten Richter im myRight-Verfahren auf die Seite der Autobesitzer schlagen, wäre denkbar, dass VW den Musterklägern einen Vergleich anbietet. In diesem Fall können die Musterkläger wählen, ob sie den Vergleich annehmen oder nicht.

Friedrich empfiehlt Nachrüstung

Axel Friedrich, der maßgeblich an der Aufdeckung des Dieselskandals beteiligt war, plädiert für einen dritten Weg: Mit überschaubarem technischen Aufwand könnten Diesel mit überhöhten Stickoxid-Emissionen nachgerüstet werden, konstatiert er. Dies sei für jede Art von Diesel sinnvoll, nicht nur für VW. Verschiedene Anbieter hätten für ihre Lösungen entweder bereits Zulassungen vom KBA oder würden sie für die nächsten Monate erwarten.

Ein spürbarer Mehrverbrauch oder eine schwächere Motorleistung seien nicht zu befürchten, beteuert Martin Pley, einer der Anbieter. Auch die Baumot Group hat ein Nachrüstkit entwickelt.

Die Kosten: Je nach Anbieter zwischen 1500 und gut 3000 Euro. VW und Daimler übernehmen bis zu 3000 Euro für Euro-5-Fahrzeuge in Städten, die akut von Fahrverboten betroffen sind. BMW dagegen lässt seine Kunden auf den Kosten sitzen.


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