Audi will raus aus dem Tal der Tränen

Für Audi, einst stolze Ertragsperle im VW-Konzern, waren die letzten Jahre nicht leicht. Das Unternehmen sah viele Entwicklungschefs in Folge. Es litt unter Dieselgate und einem CEO, der seinen Posten verlor, vorübergehend in Haft  saß und sich jetzt in einem Mammutverfahren vor Gericht verantworten muss. Die Umsatzrendite, zuletzt 5,5 Prozent, ist eines Premiumherstellers unwürdig. Manch einer von den Audianern konnte die Welt mit ihren ständig neuen Zumutungen aus der Chefetage oder von der Politik nicht mehr verstehen.

Kein neuer Verbrenner ab 2025

Zeit für einen Neustart bei Audi. Viele Köpfe wurden ausgetauscht, etliche Manger des Wettbwerbers BMW fanden eine neue Karrierechance und gutes Salär in Ingolstadt. Die ewige Diskussion um den Antriebsstrang wurde abgeschlossen: Ab 2025 wird kein Verbrenner mehr entwickelt, ab 2033 (China ausgeschlossen) keiner mehr produziert. Von einer ernsthaften Perspektive für den Wasserstoffantrieb oder von E-Fuels, die den Verbrenner länger am Leben halten könnten, ist keine Rede mehr. 

Matrix anstelle früherer Hierarchien

Schon bevor Ex-BMW-Vorstand Markus Duesmann als Audi-Boss antrat, wurden Produktion und Logistik umorganisiert. Anstelle der früheren Hierarchien steht jetzt die Matrix. Die Transformation geht weiter. Audi verordnet sich eine neue Führungsstruktur. Anders als früher konzentriert sich die Macht nicht mehr nur um einzelne Automodelle oder technische Einheiten. Gleichberechtigt reden jetzt beispielsweise die Verantwortlichen für Nachhaltigkeit und Digitalisierung von Anfang an mit. Konflikte sind programmiert. Für den einen oder anderen Audi-Hierarchen dürfte die neue Struktur einer Entmachtung gleichkommen. 

Gleichzeitig schult Audi seine Ingenieure und die Menschen in der Fertigung um. Kein Entwickler soll sich mehr nur um Hardware kümmern, alle brauchen Digitalkompetenz. Anders wird Audi die kürzeren Entwicklungszyklen, die mit interaktiven Funktionen im Auto einhergehen, nicht mehr beherrschen können. Zwar ist für die neue Betriebssoftware die VW-Einheit Cariad zuständig, trotzdem braucht Audi weiterhin IT-Know-How.  Eine halbe Milliarde Euro kann Personalvorständin Sabine Maaßen bis 2025 für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen ausgeben. 

Mammut-Strategie-Workshop für alle

Für den Umbau seine Organisation hat sich Audi den Sachverstand des Bielefelder Organisationssoziologie Stefan Kühl eingekauft. Der sagt: “Ein Prozess, von dem alle begeistert sind, ist kein richtiger Veränderungsprozess.” Damit der Frust der nicht Begeisterten nicht allzu groß wird, hat Audi in einer Art sehr großem Palaver über 500 Mitarbeiter an der gesamten Unternehmensstrategie mitarbeiten lassen. Um das Gefühl, die Häuptlinge würden über die Köpfe der Indianer hinweg planen, gar nicht erst aufkommen zu lassen, wurden auch untere Hierarchieebenen einbezogen. Über die Hälfte der Teilnehmer, heißt es, seien tarifliche bezahlte Beschäftigte gewesen. 

Bitter mag für den einen oder anderen Audianer sein, dass trotz des beherzten Umbaus der ganz große Auftritt der Marke erst 2025 kommen wird. Geplant sind ein futuristischer Roadster und eine elegante Elektrolimousine mit 700-PS, möglichst nahe am Concept Car Grand Sphere. Ein optisch reduzierter Innenraum soll alles bieten, was an Interaktivität, an Gesten- und Sprachsteuerung Stand der Technik ist. Unter anderem wird das Lenkrad wohl versenkbar sein, da das Auto autonomes Fahren des Levels 4 beherrschen soll. 

Ankündigungen für autonome Fahrfunktionen sind generell mit Vorsicht zu genießen, doch als greifbarer Traum taugt der futuristische Audi, der auf der IAA als Konzeptauto zu bewundern sein wird, allemal. Dazu kommt die Zuversicht Markus Duesmanns. Mit seiner neuen Strategie und den neuen Modellen könne Audi auch wirtschaftlich durchstarten kann, sagt der Vorstandschef. Elf Prozent Rendite sollten schon drin sein. Wenn das kein Wort ist.