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Neue Macht fürs BMWK

Das Ministerium gewinnt eine Top-Ökonomin und gewinnt internationale Kompetenz

Ab 2023 droht die Schuldenbremse. Aber irgendwie scheint es Robert Habeck geschafft zu haben, dass der Spareifer von Finanzminister Lindner wenigstens zum Teil an ihm vorbeigeht. Wie jetzt bekannt wurde, hat der Wirtschaftsminister die renommierte Ökonomin Elga Bartsch verpflichten können. Sie soll die Abteilung 1 für Wirtschaftspolitik leiten.

Bartsch hat eine prominente Karriere mit Station beim Kieler Institut für Weltwirtschaft, der Investmentbank Morgan Stanley und dem Vermögensverwalter Blackrock hinter sich. Sie ist bekannt dafür, Klimarisiken in ihre Prognosen globaler Entwicklung einzuarbeiten. Habeck schärft mit ihr das internationale Profil seines Hauses. Wie es im Kanzleramt außerdem heißt, hat sich Habeck die Zuständigkeit für den von Bundeskanzler Scholz geplanten „Klimaclub“ gesichert, was als Schlappe für Außenministerin Annalena Baerbock gedeutet werden könnte. Sie hatte Anfang des Jahres die ehemalige Greenpeace-Topfrau Jennifer Morgan angeheuert, eine umstrittene Entscheidung.  

Intern wird im Wirtschafts- und Klimaministerium aufgeräumt. Die Sicherung der Gaslieferungen und die Hilfen für Bürger und Unternehmen haben dem Haus in den letzten Monaten einiges abverlangt. Einzelne Abteilungen arbeiteten praktisch rund um die Uhr, heißt es. Deswegen sortiert sich das Haus neu. Zwei Abteilungen wurden schon zusammengelegt, eine (Energiesicherheit und Wirtschaftstabilisierung) neu gebildet. Eine ganze Reihen Zuständigkeiten sollen jetzt außerdem neu vergeben werden.

Dazu kommen Altlasten aus dem Regierungswechsel 2021. Wie in anderen Häusern wurden Schlüsselfunktionen im BMWK neu besetzt. Einfach feuern kann Habeck Mitarbeiter, die aus seiner Sicht der Welt seines Vorgängers Peter Altmaier (CDU) angehören, nicht. Also wird umbesetzt, werden Aufgabenbereiche neu definiert. Personalberater sind damit beschäftigt, Hierarchiekonflikte zu entschärfen, Pflaster für persönliche Verletzungen zu verteilen. Wer im Bundeskrisenministerium arbeitet, sollte keine allzu zarten Nerven mitbringen.

Gefangen im gelb-grünen Dauerclinch

Die Ampel schafft es voraussichtlich nicht, dem Klimaschutzgesetz gerecht zu werden

Wenn am kommenden Wochenende in Ägypten die Klimaschutzkonferenz COP27 beginnt, wird Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck nicht dabei sein. Vielleicht ist er ja ganz froh, dass Außenministerin Annalena Baerbock Deutschland in Sharm El-Sheikh vertritt. Besonders rühmlich ist es nämlich nicht, wie die Bundesrepublik aktuell in Bezug auf ihre selbst gesetzten Ziele da steht. Das zeigen die Eckpunkte für ein Klimaschutz-Sofortprogramm, die heute vom Wirtschafts- und Klimaschutzministerium BMWK in die Ressortabstimmung gegeben wurde. Weil eine Einigung zwischen BMWK und dem FDP-geführten Verkehrsministerium noch aussteht, reißt Deutschland voraussichtlich die Klimaziele, die es sich noch zu Zeiten der GroKo mit dem Klimaschutzgesetz selbst gesetzt hat.

Bis 2030 sollen die deutschen Treibhausgas-Emissionen laut Gesetz gegenüber 1990 um 65 Prozent sinken, damit das Ziel der Klimaneutralität 2045 schaffbar ist. Eine ganze Reihe von Maßnahmen von der De-Facto-Verpflichtung zum Einbau von Wärmepumpen oder anderen regenerativen Lösungen zum Heizen über Klimaschutzverträge für die Industrie bis zur Renaturierung von Mooren wurde jetzt auf den Weg gebracht. Damit werden die Teilziele für die jeweiligen Sektoren voraussichtlich erreicht. Eine Ausnahme bildet der Verkehr: Trotz Elektroauto-Förderung und Vergünstigungen für den Nahverkehr bleibt hier je nachdem, wie die Experten rechnen, eine Lücke von 118 bis 175 Millionen Tonnen CO2.

Die Frontlinien zwischen FDP und Grünen sind bekannt. Immer deutlicher zeigt sich, wie sehr der Antagonismus die Regierung lähmt. Kaum etwas eignet sich halt besser für die politische Profilierung als fruchtlose Debatten beispielsweise über ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen .

Wenn im kommenden Frühjahr die Verhandlungen über das nächste Klimaschutz-Programm weitergehen, ist ein unheilvolles Gefeilsche um CO2-Emissionen zu erwarten, nach dem Motto: Wenn Vermieter und Industrieunternehmen weniger Treibhausgase emittieren – warum werden diese Einsparungen dann nicht dem Verkehr gutgeschrieben? Der Umwelt ist damit nicht geholfen. Folgen auf den Verstoß gegen das Klimaschutzgesetz keine ernsthaften Konsequenzen, wird das ganze Unternehmen eine Lachnummer.

Aus Grau mach‘ Grün

Firmen nutzen Ökostrom-Nachweise, um ihre CO2-Emissionen herunterzurechnen. Der DIHK will diese Möglichkeit ausweiten – Umweltverbände sind entsetzt

Was den Einsatz grüner Energien angeht, steht die Telekom auf den ersten Blick gut da: “Seit 2021 decken wir unseren Stromverbrauch konzernweit zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien”, berichtet der Konzern. Erst auf den zweiten Blick fällt eine weniger schmeichelhafte Zahl ins Auge, die “ortsbezogenen” CO2-Emissionen: Sie stiegen von 2019 auf 2020 um satte 40 Prozent und betrugen im vergangenen Jahr immer noch über 4,6 Millionen Tonnen.

Klimaneutral, obwohl der Konzern jede Menge Treibhausgase in die Luft bläst? Eine wichtige Rolle bei diesem Zahlenzauber spielen sogenannte Herkunftsnachweise. Mit ihnen können sich Unternehmen zu vertretbaren Kosten grün rechnen. Auch Stromversorger, die ihren Kunden Ökostrom verkaufen, setzen zum Teil auf diese Papiere. Der private Stromkunde freut sich über die vermeintlich regenerative Energie aus der Steckdose. Aber was er verbraucht, ist anteilig Kohle, Gas- oder Atomstrom, so wie sein Nachbar auch, der einen anderen Tarif gebucht hat.

Zulässige Schummelei

Die kreativen Bilanztricks sind vollkommen legal (siehe unten). Möglich macht sie das europäische System der Herkunftsnachweise für Grünstrom. Jetzt soll es in Deutschland womöglich sogar erweitert werden. Mehr Firmen als bisher sollen sich an dem nationalen Nachweisregister anmelden können – so fordert es der Deutsche Industrie- und Handelskammertag DIHK . Demnächst startet außerdem die Leipziger Strombörse EEX den Handel mit Nachweisen. Auch das dürfte das Geschäft mit den Papieren beflügeln.

 Im Umweltbundesamt sind sie nicht wirklich glücklich über das internationalen CO2-Geschacher. Die Rede ist mehr oder minder unverblümt von einer Marketing-Show deutscher Firmen, ohne, dass die Umwelt profitiere. Es sei nicht zielführend, die Nachweise ohne weitere Maßnahmen für CO2-Bilanzen einzusetzen, heißt es.

Ähnlich sehen es Interessenverbände aus dem grünen Spektrum. Der Bundesverband Erneuerbare Energien fordert, dass die CO2-Bilanzen wieder eng an die tatsächlichen, Stromlieferungen gekoppelt würden. Dann entstünde Druck auf den Markt, heißt es – sprich: Wer Grünstrom wolle, müsse sich auch tatsächlich um Leitungen und Verträge mit Anbietern vor Ort kümmern. 

Die Deutsche Umwelthilfe DUH befürchtet einen “Dammbruch”, würden die bestehenden Regeln gelockert. Die Organisation führte im vergangenen Jahr eine Umfrage bei 66 deutschen Konzernen durch, um herauszufinden, wie viel erneuerbare Energie die Firmen tatsächlich einkauften. Nur ein Drittel antwortete auf die Fragen – und selbst bei diesen Unternehmen, so die DUH, zeigte sich zum großen Teil eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Versprechen, klimafreundlich zu wirtschaften und dem real verbrauchte Energiemix.

Das Grundproblem: Firmen fehlt Grünstrom

Der DIHK argumentiert gegensätzlich.  „Die Hälfte unserer Mitgliedsunternehmen wollen bis 2040 klimaneutral werden”, sagt Sebastian Bolay, Referatsleiter Energiepolitik beim DIHK. “Allerdings steht zu befürchten, dass es in Deutschland absehbar für diese Firmen nicht genügend Grünstrom geben wird.” Deswegen, so seine Forderung, sollten auch Ökostromerzeuger die vom EEG profitieren, Herkunftsnachweise bekommen und verkaufen dürfen. Um Kosten zu sparen und bürokratische Hürden zu schleifen will es Bolay am liebsten es auch anderen Firmen als den Energieversorgern erlauben, ein Konto im Nachweisregister einzurichten. Im Umweltbundesamt stoßen diese Vorschläge, milde gesagt, auf Skepsis. Die Entscheider der Behörde warten jetzt erst einmal auf die Ergebnisse der in Auftrag gegebenen Studie. 

Strenggenommen sind Firmen natürlich nicht auf die Zertifikate angewiesen. Theoretisch könnten sie etwa Lieferverträge mit Windparks abschließen, um Emissionen zu sparen, sagt ein Energieberater, der für Großunternehmen arbeitet. Denkbar sei auch, CO2-Emissionszertifikate zu kaufen und zu löschen. “Aber das sind vergleichsweise umständliche und teure Wege zur Klimaneutralität auf Unternehmensebene.” Die Kompensation über CO2-Zertifikate laufe auf das 10-Fache der Kosten hinaus, die für Herkunftsnachweise anfallen. Ähnlich teuer werde es, wenn ein Unternehmen über Partnerunternehmen beispielsweise Bäume pflanzen lassen, um seinen CO2-Fußabdruck auszugleichen. Dass Firmen vor diesem Hintergrund lieber den schnellen Weg übers Nachweisregister wählten, sei wenig überraschend – und werde so bleiben, solange der Gesetzgeber diesen Weg ermögliche.

So funktionieren die Herkunftsnachweise

Ihren Anfang nahmen die Herkunftsnachweise 2001. Sie sollen eine Schwäche  des internationalen Strommarktes kompensieren. In der Praxis ist es unmöglich, den Weg eines Elektrons vom Kraftwerk bis zum Hausanschluss nachzuverfolgen. Um Transparenz für den Endverbraucher herzustellen, schufen die Brüsseler Experten eine Art Geburtsurkunde für grünen Strom. 

Die Nachweise funktionieren unabhängig von den physischen Leitungen, durch die der  Strom fließt. Speist beispielsweise ein deutscher Betreiber eines Wasserwerks Ökostrom ins Netz, schreibt ihm das Umweltbundesamt in seinem Register Herkunftsnachweise gut. Der Windpark kann die Nachweise an ein Stadtwerk verkaufen. Dieses verwendet die Papiere um seinen Strommix oder auch nur bestimmte Tarife ökologischer darzustellen. 

Vom Handel ausgenommen sind in Deutschland Stromlieferungen aus Anlagen, die früher über die EEG-Umlage und mittlerweile aus dem Bundeshaushalt gefördert werden. Die Begründung: Die öffentliche Förderung der erneuerbaren Energien wird bereits im örtlichen Strommix abgebildet. Und die Allgemeinheit beziehungsweise die Stromkunden sollen nicht zweimal für ein und dieselbe Photovoltaik- oder Windkraftanlage zur Kasse gebeten werden. 

Diese Auffassung vertritt jedenfalls das Umweltbundesamt. Die Behörde muss in Deutschland das nationale Nachweisregister führen und scheint nicht wirklich glücklich mit dieser Aufgabe. Denn das scheinbar simple System folgt in der Praxis verworrenen Regeln. Der wichtigste Widerspruch ist das Nebeneinander von orts- und marktbasiertem Ansätzen bei der Bilanzierung der CO2-Emissionen.  Beides ist zulässig. Die ortsbasierte Rechnung gibt wieder, was tatsächlich in einem Land produziert wird. So weist Norwegen für 2021 in seiner nationalen Statistik einen Anteil von stolzen 91,5 Prozent Wasserkraft für seine Stromerzeugung aus. Auf der internationalen Bilanz der EU-Herkunftsregister erscheint das grüne Paradies dagegen als mäßig ökologisch. Dort wird für Norwegen ein Ausstoß von über 300 Gramm CO2 pro produzierter Kilowattstunde angegeben. 

Der Schmuddelmix entsteht auf dem Papier, weil unter anderem deutsche Unternehmen in großem Stil Herkunftsnachweise für norwegischen Strom aus Wasserkraft kaufen, um sich für ihre umweltbewusste Kundschaft aufzuhübschen. Im Gegenzug ändert norwegischer Strom seine Farbe von grün zu grau, allerdings nur in der marktbasierten Bilanz. Und für dieses Zahlenwerk interessieren sich in der Praxis weder Anleger noch Wähler oder Konsumenten.

Alles Giga in Salzgitter

Volkswagen macht Ernst mit der Fertigung von Batteriezellen

Soll Volkswagen seine Akkuzellen selbst herstellen? Bloß nicht, das wäre ein „Witz“, sagte der frühere Vorstandschef Matthias Müller 2016. Schon damals drängte der Betriebsrat, VW solle die Akkutechnologie nicht anderen belassen, allerdings ohne Erfolg. Müller orderte Batteriezellen aus Korea und China, verließ sich auf deren Qualität und scheute die horrenden Kosten für eigene Werke. Sechs Jahre später hat sich die Haltung des Managements zum Thema Batteriezelle gründlich geändert. Am Standort Salzgitter legte VW heute den Grundstein für eine Zellfabrik, die „SalzGiga“. Die Namensähnlichkeit mit Teslas „Gigafactories“ dürfte beabsichtigt sein.

Zur Feier des Tages reiste sogar Bundeskanzler Scholz an, lobte die „Radikale Wende um 180 Grad“, die Volkswagen hingelegt habe. Die Auswirkungen von Corona und dem Ukraine-Krieg auf die Lieferketten  hätten gezeigt, dass die Abhängigkeit von einzelnen Zuliefer-Regionen fatal werden könne.   VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo sprach von einem „historischen Tag“. „Die Welt schaut auf uns“, freut sich auch der örtliche Betriebsratsvorsitzende Dirk Windmüller.

2030 sollen es sechs Fabriken sein

Lange war der Standort Salzgitter ein Sorgenkind. Der VW-Bereich „Komponente“ mit seinen Sitzen, Getrieben und der Antriebstechnik galt als Kostentreiber. 63 Millionen Verbrennungsmotoren liefen bis heute in Salzgitter vom Band. Eine beeindruckende oder eine furchteinflößende Zahl, je nachdem, aus welcher zeitlichen Perspektive man auf sie blickt. Im Zuge der Umstellung auf Elektromobilität werden in Salzgitter viele Arbeitsplätze überflüssig. Mit dem Schwenk zur Zellfertigung bekommt der Standort eine neue Perspektive. Hier hat auch die im Februar gegründete „PowerCo“ ihren Sitz, in der Volkswagen alle Batterieaktivitäten des Konzerns bündelt.

Ein Teil der Beschäftigten des Motorenwerks soll jetzt für den Einsatz in der künftigen Zellfabrik qualifiziert werden. Dort werden, wenn die Fertigung läuft, über 2500 Menschen arbeiten. Inklusive Forschung, Entwicklung und Verwaltung wird PowerCo in Salzgitter 5000, europaweit bis 2030 sogar auf bis zu 20.000 Mitarbeiter beschftigten. „Ab 2025 werden wir jedes Jahr eine Fabrik ans Netz nehmen“, verspricht VW-Technikvorstand Thomas Schmall. Mit dann sechs Werken in Europa will VW 2030 auf eine Jahreskapazität von 240 Gigawattstunden kommen.

Radikal einfach, radikal kostengünstig?

Die Batterie-Aktivitäten binden wegen der teuren Vorprodukte und Anlagen viel Kapital. Allein der Bau und Betrieb der Anlage in Salzgitter kostet bis zum Hochlauf der Serienproduktion zwei Milliarden Euro. Die gesamten Investitionen in die Batterieaktivitäten beziffert Volkswagen auf mindestens 20 Milliarden Euro bis 2030.

Umso mehr versucht VW, die Ausgaben unter Kontrolle zu halten. Anders als Tesla, das während Corona-bedingter Produktionsschwierigkeiten in China  mit seinen unterschiedlichen Zellformaten unter Druck geriet, setzt Volkswagen auf prismatische Einheitszellen. Je nachdem, was sie leisten sollen, wird die Zellchemie angepasst.  „Wir können von kostengünstig bis zu High Performance alles abbilden“, sagt PowerCo-Chef Frank Blome.

Die radikale Vereinheitlichung soll in großem Stil Kosten sparen. Auch das Design der Fabriken wird standardisiert. „Kann schon sein, dass Tesla bei den Batterien schneller und innovativer war“, sagt ein Volkswagen-Manager. „Wir sind auf der langen Strecke besser.“ Volkswagen beherrsche es wie kein anderer, hohe Stückzahlen in verlässlicher Qualität zu liefern.

Experten befürchten Engpässe bei Rohstoffen

Die Unternehmensberatung Roland Berger erwartet einen steilen Anstieg der Nachfrage nach Akkus bis 2030. Da die Zellfertigung viel Kapital bindet, bietet sich über kurz oder lang ein Börsengang von PowerCo an. Geplant ist ohnehin, auf Dauer nicht nur VW zu beliefern. Ein denkbarer Kunde wäre Ford, dem VW bereits Hard- und Software aus seinem Baukasten für Elektroautos verkauft, theoretisch aber auch Hersteller wie  BMW, die sich bisher nicht für eine eigene Zellfertigung entscheiden wollten.

Bleibt die Frage nach den Rohstoffen. Die Experten von Roland Berger sehen vor allem bei Kobalt, Nickel und Lithium Engpässe. Nickel etwa komme zu rund zehn Prozent aus Russland, was seit Kriegsbeginn zu massiven Preissprüngen geführt habe. Viele Vorprodukte werden aus Asien importiert. Zuständig für den Einkauf der Rohstoffe für PowerCo ist der Ex-BMW-Manager Jörg Teichmann. Er will Lieferketten nach Europa verlagern. Davon, ob ihm das gelingt, dürfte ein großer Teil des PowerCo-Erfolgs abhängen.

Was ist unser Haushalt, und wenn ja, wie viele?

Finanzplanung in Zeiten des Kriegs und der Pandemie ist schwierig. Ewig warten will man im Bundesfinanzministgerium aber nicht mit dem nächsten Haushalt. Also rechnen die Beamten mit vorläufigen Zahlen. Und sie sind kreativ: Gleichzeitig mit ihrem Entwurf für den Haushalt 2022 kündigt die Regierung am Mittwoch voraussichtlich einen „Ergänzungshaushalt“ an. In den soll alles rein, was akut ansteht, also etwa der Hilfebedarf für ukrainische Flüchtlinge und Christian Lindners angedachter Tank-Rabatt für finanziell geplagte Autofahrer.

Aus einem mach‘ mehrere Töpfe

Bundeshaushalt plus Ergänzungshaushalt, macht schon mal zwei Töpfe. Der Zusatz-Etat könnte die für 2022 geplante Verschuldung in Höhe von 99,7 Milliarden Euro über die 100-Milliarden-Grenze schubsen. Zusätzlich wird es das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr geben, für das das Grundgesetz geändert werden muss. Es handelt sich um eine Kreditermächtigung. Die Summe wird sich also in dem Maß und der Geschwindigkeit im Haushalt niederschlagen, wie die Beschaffung der Bundeswehr mit dem Einkauf vorankommt. Und dann gibt es ja noch das Sondervermögen Energie- und Klimafonds (EKF), der zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) umgewandelt wird. Er soll zwischen 2022 und 2026 Investitionen von über 200 Milliarden Euro ermöglichen.

Die parallel laufenden Haushalte ermöglichen es nicht nur, flexibel zu reagieren. Sie wirken auch optisch besser. Das ist im Moment für die Haushälter in der Ampelregierung wohltuend. Denn schon im nächsten Jahr geht’s ans Eingemachte. Dann soll die Neuverschuldung drastisch zurückgefahren werden, auf weniger als ein Zehntel des Wertes von 2022. Ab 2028 soll der Bund sogar 11,1 Milliarden Euro pro Jahr für die Schuldentilgung aufwenden.

Politische Grausamkeiten sind programmiert. Vereinzelt spüren sie die Ministerien jetzt schon. Finanzminister Lindner verordnet ihnen eine „globale Minderausgabe“ von acht MIlliarden Euro. Das Geld muss eingespart werden. Wie? Irgendwie.

Gemeinsam stärker

Bosch und VW beschließen Kooperation auf Augenhöhe beim autonomem Fahren im Privat-Pkw

Autohersteller und Zulieferer, das ist eigentlich eine hierarchische Angelegenheit. Der Pkw-Konzern bestellt Schrauben, Blech oder Software, der Zulieferer freut sich über den Auftrag und arbeitet ihn ab – so ist die traditionelle Form der Zusammenarbeit. In Zeiten der Digitalisierung ändern sich allerdings die Kräfteverhältnisse.  Gerade gab die Volkswagen-Softwareeinheit Cariad eine Partnerschaft mit Bosch bekannt. Die Unternehmen entwickeln gemeinsam Software fürs autonome Fahren des Levels 2 und 3 im privaten Pkw. Das Besondere: Nach einer gewissen Vorlaufzeit wird Bosch die Ergebnisse an Dritte vermarkten können. “Es handelt sich nicht um eine typische Lieferantenbeziehung”, sagt Mathias Pillin, Chef der Bosch-Einheit “Cross Domain Computing Solutions”. Bosch befinde sich in dem Projekt auf Augenhöhe mit VW. 

Erst im vergangenen Jahr beendeten Daimler und Bosch ihre Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Systemen für Robo-Taxis. Volkswagen dagegen arbeitet mittlerweile mit einer Reihe von Partnern zusammen. Die Nutzfahrzeug-Einheit kümmert sich zusammen mit Argo AI, einem Unternehmen von Ford und VW, um den Bereich Mobilitätsdienstleistungen und hat für 2025 erste komplett  fahrerlose Shuttles angekündigt. Die Marken VW, Skoda und Seat nutzen zudem Kartendaten der Intel-Einheit Mobileye, die es den Autos erleichtern, sich selbst bei schlechten Witterungsverhältnissen sicher zu orientieren.

Die Software-Einheit Cariad, 2020 gegründet, soll nach dem Vorbild Teslas ein zeitgemäßes, aufgeräumtes Betriebssystem fürs Auto entwickeln und Teile davon an die Konkurrenz verkaufen, um die Milliardenkosten wieder hereinzuholen. Das zumindest hat VW-Boss Herbert Diess den Eigentümern des Unternehmens versprochen. Allerdings scheint der geplante schnelle Aufbau einer Einheit mit über 10.000 Software-Experten durch den Mangel an IT-Fachkräften gebremst zu werden. Möglicherweise hat sich VW auch deswegen zu der jetzt verkündeten Partnerschaft mit Bosch entschlossen. 

In dem Projekt geht es ausdrücklich nicht um Taxidienste, sondern um Software für Autos, in denen ein Mensch hinterm Lenkrad sitzt. Im nächsten Jahr sollen erste Funktionen auf den Markt kommen.  Zum Teil sollen sie es ermöglichen, dass das Auto zeitweise die komplette Verantwortung übernimmt. Das entspricht Level 3 des automatisierten Fahrens. Premiumhersteller können für diese Dienste hohe Preise von bis zu 10.000 Euro aufrufen. Für Marken wie VW oder Skoda wird’s da eng. “Wir wollen den Zugang zur Technik demokratisieren”, sagt Cariad-Chef Dirk Hilgenberg. Deswegen müsse er es schaffen, die Kosten in einem anderen Rahmen zu halten als die Wettbewerber.

Wider die Gießkanne

BMWK und KfW stoppen in einer Hauruck-Aktion die Förderung von energieeffizienten Gebäuden. Auf Häuslebauer kommen wohl strengere Vorschriften zu

Ende Januar wäre die aktuelle Förderung für energieeffiziente Häuser nach dem EH 55 Standard ausgelaufen. Vor rund drei Monaten wurde noch unter dem früheren Minister Peter Altmaier das Ende des Programms bekanntgegeben. Die Folge war eine regelrechte Torschlusspanik unter den Bauherren. Anträge über ein Fördervolumen von 20 Milliarden Euro gingen bei der Förderbank KfW ein, darunter 14 Milliarden für EH 55 Vorhaben, vier Milliarden für Bauten nach dem Standard EH 40 und zwei Milliarden für energetische Sanierung.. Die zieht jetzt die Reißleine und dreht den Geldhahn zu. Anstelle von Zuschüssen werden in Kürze wohl Verordnungen treten. Denn die Niedrigenergiebauweise ist beim Großteil der Neubauten sowieso schon Standard geworden. Nachdrücklich unterstützt werden soll dagegen die Sanierung im Bestand – hier kann mit öffentlichen Geldern im Vergleich zum Ist-Zustand am meisten erreicht werden.

Für Bauherren, die sich auf das Geld verlassen haben, ist die Nachricht von dem Förderstopp eine ziemlich unschöne Situation. Damit kein aktuell geplantes Projekt daran scheitert, soll im Zweifel die KfW mit Extra-Darlehen einspringen. Die müssen freilich zurückgezahlt werden.

Nur wenige Wochen nach dem Start der Ampel scheint die Furcht zu wachsen, dass die Förderflut im Rahmen der Klimawende zu viele Trittbrettfahrer auf den Plan ruft. Das dürfte auch auf die anstehenden milliardenschweren Klimaschutzverträge mit der Industrie durchschlagen, mit denen der Einsatz grüner Technologien in der Industrie unterstützt werden soll.

Demokratisch coden, jetzt auch in Berlin

VW startet 42 Akademie in der Hauptstadt

Ein dreiviertel Jahr ist es her, dass die gemeinnützige Coderschule 42 Wolfsburg ihre ersten Studenten auswählte. Jetzt geht’s weiter mit der 42 Berlin. 600 Talente sollen sich dort künftig in einem Computerspiel von Ebene zu Ebene hangeln und dabei programmieren lernen. Der erste Jahrgang startet im Herbst 2022. Hauptsponsor sind ähnlich wie in Wolfsburg Volkswagen und seine Software-Tochter Cariad, dazu kommen unter anderem SAP, Bayer, Microsoft und T-Systems.

Der Name der Akademie spielt auf die Frage nach dem Sinn des Lebens an, die ein Supercomputer im Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ nach Millionen Jahren Rechenzeit lapidar mit „42“ beantwortet. Die weltweit 36 Schulen, die dem 42-Gedanken folgen, pflegen ein basisdemokratisches Modell der Lehre. Sie stehen Bewerbern unabhängig vom Schulabschluss, Alter oder Herkunft offen. Studiengebühre, herkömmliche Curricula, Klassenräume oder Lehrer gibt es nicht. Die Teilnehmer sollen sich gegenseitig bei der Lösung von Problemen helfen und daran wachsen.

Alumni können sich weiterbilden

Herkömmliche Noten sind auch nicht vorgesehen. Allerdings gibt es das sogenannte „Black Hole“, das „Schwarze Loch“ für Studenten, die aus welchen Gründen auch immer überhaupt nicht vorankommen. „Irgendwann wird man automatisch zum Alumnus“, sagt 42 Wolfsburg-Chef Max Senges. Sprich: Wer den Anschluss verliert, fliegt ab einem bestimmten Punkt raus. Umgekehrt ist die Akademie offen für Ehemalige, die sich später in ihrem Berufsleben noch einmal weiterbilden wollen.

Der Frauenanteil in Berlin dürfte höher sein als auf anderen Coderschulen. In der 42 Wolfsburg beträgt er 27 Prozent und soll nach Möglichkeit auf 40 Prozent steigen. Ungewöhnlich ist auch der Anteil der Studenten, die einen zweiten Anlauf nehmen. Fast zwei Drittel der 42-Schülerinnen und Schüler hat bereits eine andere Ausbildung oder Berufstätigkeit im Lebenslauf. Ähnlich könnte es in Berlin aussehen, wenn erst einmal der erste Bewerbungs-Marathon bewältigt ist.

Vorläufig letzte deutsche Gründung

Aktuell ist Ralph Linde, der bei Volkswagen die Bildungsaktivitäten leitet, auf der Suche nach einer Immobilie in Berlin. In der engeren Wahl sind Standorte im Wedding und in Neukölln. Perspektivisch könnte die Schule auf mehr als 600 Coderinnen und Coder anwachsen, deswegen sollte Platz zum Wachsen sein.

Bafög gibt es für die Teilnehmer Stand heute keines. Die Schulleitung versucht deswegen, mit der KfW die Bedingungen für einen Studienkredit zu klären. Die Dauer des Studiums wird mit vier bis fünf Jahren angegeben. Allerdings dürften viele Studentinnen und Studenten die Akademie bereits früher verlassen, weil ihnen lukrative Jobs angeboten werden.

Der Mangel an IT-Fachkräften in Deutschland ist groß. Zuletzt gab der Digitalverband Bitkom die Zahl der offenen Stellen mit 86.000 an. Theoretisch wären also nach 42 Heidelberg, 42 Wolfsburg und 42 Berlin weitere Standorte denkbar. Schulleiter Max Senges stellt aber klar, das derzeit nicht an weitere Gründungen in Deutschland gedacht werde.

Ehrgeizige Ziele für Cariad

Anders als in Wolfsburg wird bei der 42 Berlin der Schwerpunkt nicht auf dem Bereich Auto-Software liegen. Trotzdem will die VW-Tochter Cariad, die unter anderem in Berlin präsent ist, den einen oder anderen Absolventen gewinnen. In den letzten zwölf Monaten habe er 1000 Entwickler eingestellt, sagte Cariad-Personalchef Rainer Zugehör. „Jetzt haben wir uns die nächsten 1000 vorgenommen.“

Die Flexi-Fabrik: Produktionsstart des BMW i4 in München

Tesla? Können wir auch. Mit einer Reichweite von 590 Kilometern (WLTP) und neuen digitalen Diensten wie einem verbesserten Fahrassistenten (Level 2+) soll der BMW i4 dem US-Wettbewerber Konkurrenz machen. Gerade startete die Produktion des Autos im Stammwerk München. Dort will BMW  die eierlegende Wollmilchsau in der Produktion verwirklichen: Verbrenner, Plugin-Hybride und reine Stromer werden auf der gleichen Linie montiert. Ein ziemlich aufwendige Angelegenheit, zumal in einem vergleichsweise kleinen Pkw-Werk.

200 Millionen Euro hat BMW bisher investiert, um die Fabrik für den Stromer fit zu machen. Alle 69 Sekunden kann in München ein Auto vom Band laufen, das ist langsamer als in Autofabriken, die nur ein Modell oder nur Pkw mit vergleichbaren Antrieben fertigen. Aber mit der Flexi-Strategie schafft sich BMW die Freiheit , auf die schwer kalkulierbaren Launen der Kunden reagieren zu können. Wollen Sie nächstes Jahr schon auf E-Mobilität umschwenken oder erst gegen Ende des Jahrzehnts? So genau weiß das niemand, und frühere teure Fehler will der BMW-Vorstand vermeiden. Mit dem Elektro-Pionier i3 war der Hersteller seiner Zeit voraus. Das Auto, für das sich BMW auf die sündteure Karbon-Bauweise einließ, enttäuschte zum Marktstart, erst in den letzten Jahren gingen die Verkaufszahlen spürbar nach oben.

Das soll mit dem i4 nicht passieren. Auf die Frage, wie viele i4 BMW verkaufen wolle, weicht Produktionsvorstand Milan Nedeljkovic  aus. Irgendwas in der Größenordnung einer Großserie solle es sein. 2023 wird jedes zweite Auto, das im Werk München vom Band läuft, elektrifiziert sein. sagt er. Das wären rund 100.000 bis 110.000 Pkw im Jahr. Allerdings zählen auch die d3er Limousinen und der 3er Touring mit Hybridantrieb zu den elektrifizierten Autos. Zu einem Bekenntnis, wann BMW das letzte Auto mit Verbrennungsmotor fertigen will, lassen  sich die München anders als VW und Daimler bisher nicht hinreißen. Das jüngste Strategiepapier von VW für die Bundesregierung, in der unter anderem gefordert wird, die Kaufprämien für Hybride an tatsächlich elektrisch gefahrene Kilometer zu knüpfen, kommentiert Nedeljkovic diplomatisch: „Wir sehen PHEVs durchaus als vollwertige Alternative an“, sagt er.

Aber klar wandelt sich auch BMW. Die traditionsreiche Motorenfertigung verlässt das Stammwerk München in Richtung Hams Hall und Steyr. Die Fabrik, eine der wenigen in der Autoindustrie, die komplett in eine Großstadt eingebettet ist, bekommt ein neues Gesicht: Dort, wo heute noch Zäune stehen, sollen künftig Nachbarn und Interessenten das Gelände erkunden können. Werksleiter Peter Weber spricht von einem „Produktions-Campus“. Aktuell läuft ein Architektenwettbewerb, wie das Werk künftig aussehen soll. Seiner Zeit hinterherhinken, das will BMW offensichtlich nicht – auch, wenn es sich mit der Elektromobilität Zeit lässt.