Bosch / Nvidia: Kampfansage an Mobileye
Nvidia und Bosch bauen zusammen Systeme fürs Autonome Fahren – diese Kooperation hat das Potential, die Autoindustrie aufzumischen. Die Firmen stellten heute auf der Messe Bosch Connected World einen Rechner vor, der Künstliche Intelligenz ermöglichen soll, die komplexe Fahrsituationen schnell analysiert und darauf reagiert. Die Rede ist von einem neuen „Gehirn“ fürs Auto, klein genug, um in jedem Pkw verbaut zu werden.
Bosch kann bei diesem Projekt seine Expertise in der Vernetzung von Gegenständen einbringen – die Einbindung des häuslichen Kühlschranks und des Smartphones in die Bedienoberfläche des Pkw sollte für die Stuttgarter ein Kinderspiel sein. Nvidia-Chef Jen-Hsun Huang kündigte aber noch viel mehr an: Bis 2019 soll mit dem System Autonomes Fahren des Level 4 möglich sein, sagte er.
Wobei damit nicht gesagt ist, dass 2019 auch schon die ersten Autos mit dem System in Serie gehen. Dazu brauche es Sensoren, die mehr leisten als heutige Geräte, sagte Michael Fausten, bei Bosch zuständig für das Autonome Fahren. Aber auch Fausten räumt ein, dass Bosch/Nvidia mit dem neuen Angebot in direkte Konkurrenz zu Mobileye geht. „Mobileye ist unser direkter Konkurrent, und wir sind besser“, sagt ein Nvidia-Mann auf der Messe, will sich aber nicht gerne namentlich zitieren lassen. Das israelische Unternehmen Mobileye liefert Kameras und Software fürs Autonome Fahren, freut sich über eine Partnerschaft mit BMW und VW freut und wurde gerade von Intel gekauft. BMW erprobt in diesem Jahr in München Autos, die sich ohne Fahrer zurechtfinden (Stufen drei bis fünf) und hat das Autonome Fahren (Level 4) für 2021 angekündigt.
Jetzt also die Reaktion der Konkurrenz. Elmar Frickenstein, der für BMW das Autonome Fahren vorantreibt, reagiert gelassen. Die Systeme von Nvidia, Bosch, intel und Mobileye könnten in verschiedenen Konstellationen für BMW verbaut werden, sagte er.
Möglicherweise ist das aber nicht genau das Szenario, das Bosch anstrebt. Schon bisher argwöhnten die Chefs der OEMs, Bosch-Chef Volkmar Denner verstehe sein Unternehmen nicht mehr nur als Zulieferer, sondern spiele sein eigenes Spiel. Diese alten Befürchtungen dürften wieder aufleben. Über seine smart Devices hat Bosch nämlich einen exzellenten Zugang zum Haushalt der Kunden. Mag sein, dass es keinen wirklichen Alltagsnutzen bietet, den Staubsauger vom Auto aus einzuschalten – ein witziges Feature dürfte es für techikaffine Kunden trotzdem sein. Jetzt muss es Bosch nur noch schaffen, mit den Daten der Kunden soziale Netzwerke aufzubauen oder Produkte für weitere Anbieter wie Versicherer oder Reiseunternehmen aufzulegen – dann dürfte Denner endgültig in den direkten Wettbewerb mit den Autoherstellern eintreten.
Experte: Autohersteller werden sich Chiphersteller kaufen
Intel kauft sich Mobileye, ein bemerkenswerter Deal allein angesichts des Kaufpreises: Angeblich 15, 3 Milliarden Dollar für den israelischen Sensorik- und Softwarehersteller mit 600 Beschäftigten. Warum so viel Geld?
„Die Nachfrage nach Smartphones, Laptops und PC stagniert“, sagt Gabriel Seiberth, Geschäftsführer im Bereich Automotive bei Accenture. Die Autoindustrie dagegen biete gute Wachstumsraten und verspreche im Zusammenhang mit dem Automatisierten Fahren neue Ertragsmodelle für Chiphersteller und Softwareunternehmen. „Das selbstfahrende Auto benötigt Prozessoren mit extremer Rechenleistung, um Millionen von Informationen in Echtzeit zu verarbeiten“, so Seiberth.
Bei Fahrerassistenzsystemen ist die Sensorik und Datenverarbeitung von Mobileye weltweit spitze, insofern ist das Investment von Intel nachvollziehbar. „Intel erwirbt mit dem Unternehmen nicht nur jede Menge Know-how, sondern auch Geschäftsbeziehungen mit einer Vielzahl von Auto-Herstellern und – vor allem – einen regelrechten Schatz an Fahr-Daten für das Trainieren von selbstlernenden Algorithmen“, erklärt Seiberth.
Spannend bleibt, welcher Deal als nächstes kommt, wie sich die Kräfteverhältnisse zwischen Autoherstellern und IT-Industrie in den nächsten Jahren verschieben werden. Die Pkw-Industrie hat bewiesen, dass sie sich nicht zu einem Hardwarelieferanten degradieren lassen wird. Autobauer, die über die interaktive hochauflösende Here-Karte die Daten ihrer Flotten austauschen, werden zu Plattformanbietern. Dies eröffnet die Perspektive auf neue Produkte und Dienstleistungen jenseits des gebogenen Blechs.
Volkswagen demonstriert zurzeit, wie es mithilfe eines Quantencomputers Verkehrsströme schnell und umfassend analysieren kann – ein Service, der beispielsweise an Megacities verkauft werden könnte. Die Autoindustrie wird nicht warten, bis die IT-Größen Zugriff auf das Geschäft mit der Mobilität nehmen, prognostiziert Seiberth. Damit wird der Prozessor immer mehr zum Kern der Architektur von autonomen Fahrzeugen. „Wir dürfen gespannt sein, ob die Fahrzeugbauer nicht ihrerseits bald auf Einkaufstour bei Halbleiterherstellern gehen.“
Wie sich PSA-Carlos Tavares die Zukunft von Opel vorstellt
“Ich habe Glück”, sagt Carlos Tavares, Chef von PSA (Peugeot, Citroen, DS). “Ich lebe ein aufregendes Leben.” Der Brexit, Sorgen um die Stabilität des Euro, Unwägbarkeiten bei der Opel-Übernahme? Alles keine Probleme, von denen sich Tavares die Laune vermiesen lässt, das macht der Portugiese auf dem Genfer Autosalon klar. Tavares gibt den Motivator, spricht vom große Potential, das Opel berge, und kündigt an, der Marke größtmögliche Eigenständigkeit zu lassen. “Autos von Opel sollten von Opel entwickelt werden”, sagt er. “Das ist für den Stolz der Leute und die Zuversicht der Marke wichtig.” Auch die Preise will Tavares vom Opel-Management bestimmen lassen, eigentlich sollen alle wichtigen Entscheidungen weiterhin in Rüsselsheim fallen. Mit diesem Prinzip habe er bisher schon gute Erfahrungen gemacht: “Die Manager eines Herstellers verkörpern ihre Marke, sie atmen ihre Marke. Ich höre den Diskussionen der Marken-Chefs zu und unterstütze sie bei ihrer Arbeit.”
Und wenn unterm Strich kein Gewinn erzielt wird? Auf Dauer wird Tavares keine unprofitablen Strukturen dulden. Für den Brexit, der Opel im vergangenen Jahr die Rückkehr in die Gewinnzone verhagelte, empfiehlt Tavares einfache Gegenmaßnahmen: die lokale Zulieferlandschaft stärken, dann können Zölle und ungünstige Wechselkurse dem Hersteller weniger anhaben. Hört sich simpel an, dürfte in der Realität schwierig werden. Welcher großer Zulieferer würde sich auf ein englisches Abenteuer einlassen und Produktion von Kontinentaleuropa auf die Insel verlassen?
Dem Entwicklungszentrum in Rüsselsheim gibt Tavares immerhin die Zusicherung, dass sich die Arbeit der Ingenieure, die bisher auch für General Motors arbeiteten, nicht auf Opel beschränken werde. “Natürlich werden sie für PSA arbeiten und dabei mehr Entfaltungsmöglichkeiten haben. Die Gruppe wird fünf Marken umfassen, da gibt es viel zu tun.” Zudem sei die Übergangsperiode, innerhalb derer sich Opel endgültig von General Motors löst, lang – bis zur nächsten Generation eines jeweiligen Modells, also von heute ab gerechnet bis zu sieben Jahre. “Alles wird gut”, sagt Tavares.
Jetzt muss er nur noch recht behalten.
Grammer: Vergrault Prevent die Kundschaft?
Wenn Hastor kommt, gehen die Kunden – diese Sorge treibt zurzeit Mitarbeiter und Aktionäre des niederbayerischen Autozulieferers Grammer um. Analyst Christian Ludwig vom Bankhaus Lampe sieht schwarz für den Fall, dass die bosnische Unternehmerfamilie Hastor über ihre Zulieferfirma Prevent und die Investmentgesellschaft Cascade International bei dem Sitzehersteller ihren Einfluss erhöht.
Die Hastor-Gruppe kontrolliert indirekt über 20 Prozent der Anteile von Grammer. “Es besteht das Risiko, dass Prevent Grammer benutzt, um Autohersteller unter Druck zu setzen“, sagt Christian Ludwig. „Damit läuft Grammer, sollte die Hastor-Gruppe einen größeren Einfluss im Unternehmen gewinnen, Gefahr, dass die Kunden sich nach einem anderen Lieferanten umsehen. So etwas passiert sicher nicht über Nacht, aber ersetzbar ist Grammer definitiv.”
Nur mit Mühe erholte sich Volkswagen im vergangenen Jahr von dem Prevent-Schock. Damals legte der kleine Zulieferer mit einem Lieferstopp die VW-Produktion lahm, um seine Ansprüche gegenüber dem Konzern durchzusetzen.
Die Schwesterfirma von Prevent, Cascade International, macht jetzt bei Grammer geltend, der Zulieferer leide seit Jahren an einer Erosion der Gewinnmarge, ohne dass sich das Management dagegen stemme. Deswegen will Cascade auf einer außerordentlichen Hauptversammlung den größten Teil des Grammer-Aufsichtsrates mit eigenen Leuten besetzen. Der nächste logische Schritt wäre der Austausch des Managements. Und dann?
Analyst Ludwig kann die Kritik an der Ertragskraft “nicht nachvollziehen“. Das Unternehmen habe in der Vergangenheit Probleme gehabt, räumt er ein, „aber sie sind mittlerweile auf einem guten Weg. Deswegen halten wir Grammer für fair bewertet. Das Geschäftsfeld von Grammer ist von vergleichsweise niedrigen Margen geprägt, Gewinne wie bei Continental darf man sich da nicht erträumen.”