Die Elektromobilität und das vernetzte Fahren sind teure Innovationen – einerseits. Andererseits spielt die Zeit für die Autohersteller. Batterien werden immer leistungsfähiger und preisgünstiger. Auch die Preiskurve bei der Sensorik, die in anspruchsvollen Pkw mit autonomen Fahrfunktionen verbaut wird, zeigt nach unten. BMW setzt deswegen auf Zeit, um seinen Premiumanspruch ab 2021 mit einer neuen Fahrzeugarchitektur neu anzumelden. Der Hersteller holt sozusagen tief Luft, um in ein paar Jahren seinen Premiumanspruch umso selbstbewusster anzumelden.
Wettbewerber Audi will ab 2019 Autos auf die Straße verkaufen, die Autonomes Fahren der Stufe 3 erlauben. Der Fahrer des neuen A8 soll auf der Autobahn bei einer Geschwindigkeit bis zu 60 km/h das Lenken seinem Bordcomputer zu erlauben. Bei BMW rümpft man die Nase: Wirklich ausgereift seien die Systeme jetzt noch nicht heißt es, wirklich sicher würden nur die Kunden sein, die sich noch ein wenig gedulden. 2021 kommt der iNext auf den Markt, mit ihm wollen die Münchner beweisen, wie verlässlich autonomes Fahren wirklich sein kann.
Bis dahin gibt es eine Menge zu tun. Die Rechnereinheit, die im Kofferraum der jetzigen BMW-Versuchsautos mitfährt, misst geschätzt über einen Meter in der Breite und einen halben Meter in der Höhe. Bis 2021 soll das System auf etwas mehr als Schuhschachtelgröße geschrumpft sein. Gleichzeitig lernen die Programme dazu. In ein paar Jahren sollen sie selbständig Verkehrssituationen einschätzen können – beispielsweise darüber, ob ein Auto in Sichtweite gerade vor einer Ampel oder im Stau wartet, oder ob es sich um einen in zweiter Reihe parkenden Pkw handelt, was ein Ausweichmanöver zur Konsequenz hätte.
500 mal 1000 Billiarden Byte bis 2019
In seinem neuen Entwicklungszentrum in Unterschleißheim baut BMW derzeit eine gigantische Datenbank auf, die 2019 rund 500 Petabyte umfassen soll. Klingt nach viel, ist es auch: Ein Petabyte enspricht 1000 Billiarden Byte. Im Wesentlichen geht es bei der Datensammelei darum, den Pkw-Algorithmus zu schulen, indem das Programm virtuell mit unzähligen Verkehrssituationen konfrontiert wird. Hat die Software also beispielsweise 5000 verschiedene Aufnahmen von Taxen, die am Straßenrand warten, gespeichert , sollte die Wahrscheinlichkeit hoch sein, dass es in der Lage ist, das 5001ste Taxi selbständig als solches zu erkennen. Rund um die Bemühungen der Autobauer, auf diese Art künstliche Intelligenz zu erschaffen, sei eine neue Industrie entstanden, sagt BMW-Experte Klaus Büttner – das „Labeling“. Heerscharen von Programmieren unter anderem in Asien kategorisieren Verkehrssituationen digital, um den Lernprozess am Laufen zu halten.
Insgesamt 40 BMW 7er sollen bis Ende des Jahres in München, Kalifornien und Israel unterwegs sein, um den Verkehr zu scannen. Es wird nicht reichen, dass die Systeme lernen, die Verkehrssignale in verschiedenene Regionen zu interpretieren – sie müssen auch lokale automobilen Umgangsformen lernen. Schließlich fließt der Verkehr in jedem Land ein wenig anders, so dass ein Fahrstil, der beispielsweise in Deutschland angemessen wäre, in chinesischen Städten Irritationen anderer Verkehrsteilnehmer oder schlimmstenfalls sogar zu Unfällen führen würde.
Das Training der Systeme beschreiben die Experten als digitalen Kraftakt. 2000 IT-Fachleute sollen einmal in dem Unterschleißheimer Zentrum arbeiten, heute schon sind die Datenmengen, die täglich von den Erkundungs-Pkw gesammelt und an die Server überspielt werden, gigantisch.
Flache und weniger flache Batterien für Sedans und höhere Autos
Während die Softwarearchitekten von BMW das Gehirn künftiger Pkw designen, feilen die Hardware-Experten an den Karosserien und Antrieben der Autos. In alle Modelle sollen wahlweise Verbrenner, E-Motoren oder Hybridantriebe verbaut werden. Deswegen muss in jedem Auto Platz für eine flache Batterie sein. Für die X-Reihe ist das kein Problem, sie bekommt deswegen Module mit vergleichsweise hohen Batteriezellen in den Bodenraum. Bei den Sedans wollen die BMW-Ingenieure niedrigere Zellen verwenden und auf den flachen Akku im Boden bei Bedarf – also falls der Kunde eine größere Reichweite der Batterie wünscht und dafür zahlt – unter der Rückbank eine weitere Reihe Zellen draufsatteln. BMW-Finanzvorstand Nicolas Peter hat für die Entwicklung der neuen Fahrzeugarchitektur dieses Jahr bereits zusätzliche 700 Millionen Euro lockergemacht.
Um bei der Rendite trotzdem nicht nachzulassen, geht BMW ab dem nächsten Jahr mit Modellen ins Rennen, die zwar die Kohlendioxid-Bilanz des Unternehmens belasten, dafür aber Umsatz bringen dürften. Der X7 und der X2 gehören dazu, außerdem die wiederbelebte 8er Reihe mit über 600 PS. Unter Rendite-Gesichtspunkten gewagt wirkt der i8-Roadster. Der i8 verkaufte sich 2016 in den USA und Europa nur etwas 3000 Mal, ob es der Roadster je auf fünfstellige Verkaufszahlen bringen wird, ist fraglich. Aber dafür zahlt der Sportwagen mit Hybridantrieb ja wenigstens auf die Marke ein.