Das Patchwork-Auto von Volkswagen

Forscher tüfteln in  Wolfsburg an Baumaterialien für leichte Pkw

Neue Werkstoffe im Automobilbau sind spannend, haben aber ihre Tücken. BMW hat leidvolle Erfahrungen damit gemacht: Die ultraleichte Kohlefaser-Karosserie des i3 wurde erst als zukunftsweisend gefeiert, bis die Probleme mit der Serienproduktion in Leipzig begannen. Die Aushärtezeit des Carbons ließ sich anfangs nicht in den engen industriellen Takt pressen; im Werk waren sie ganz froh darüber, dass sich die Nachfrage nach dem Elektroflitzer in Grenzen hielt. Das Carbonprojekt dürfte BMW ein paar Milliarden gekostet haben, wiederholen würden es die Münchner, beziehungsweise Quandt-Erbin Susanne Klatten, die bei der Entscheidung für das neue Material Patin stand, sicher nicht.

Die BMW-Erfahrung will sich VW sparen, steht aber auch vor der Herausforderung, leichtere Autos zu bauen, damit die Reichweite seiner künftigen E-Mobile nicht zu eng gesteckt ist. Je schwerer der Pkw, desto schneller macht der Akku schlapp – diese simple Rechnung zwingt die Wolfsburger zum Experimentieren mit neuen Materialien.

Spulengatter einer Webmaschine zur Herstellung von Hybridgeweben

Spulengatter einer Webmaschine zur Herstellung von Hybridgeweben

Was heißt „zwingt“: Jens-Jürgen Härtel, Chef der Open Hybrid LabFactory OHLF in Wolfsburg, berichtet mit ansteckendem Optimismus von den Möglichkeiten neuer Mischmaterialien. Für ihn ist OHLF ein „Ingenieurstraum, der wahr geworden ist“. Das Institut ist ein Gemeinschaftsprojekt der TU Braunschweig, der Fraunhofer Gesellschaft, von VW, verschiedenen weiteren industriellen Partnern und öffentlichen Geldgebern.  Auf 10 000 Quadratmetern forschen in unmittelbarer Nähe des Wolfsburger VW-Stammwerks  Studenten und Wissenschaftler der OHLF an neuen Materialien für den Autobau. Sie stimmen sich dabei eng mit den Verantwortlichen der Produktion von VW ab, können also halbwegs zuversichtlich sein, dass ihre Erfindungen auch in den Fabriken des Herstellers umgesetzt werden.

Mit zum Inventar gehört eine gigantische Webmaschine, die verschiedene Fasern zu Halbfabrikaten verarbeiten kann, die exakt den Stabilitäts- und Gewichtserfordernissen im fertigen Pkw entspricht. Wenn es die Statik des Autos erfordert, dass ein Dutzend Punkte im Werkstück auch unter Belastung steif bleiben, reicht es, nur an exakt diesen Punkten beispielsweise Carbon zu verweben – so die Produktionsphilosophie. Denkbar ist auch die Verarbeitung leitender Fasern, um beispielsweise die Beleuchtung des Autohimmels zu ermöglichen.

Ddie Energiebilanz des Pkw-Leichtbaus erfordert ein paar Rechenschritte. Die Materialien sollen helfen, CO2-Emissionen zu vermeiden – doch ihre Produktion ist energieintensiv. Deswegen berechnen die Experten die Kohlendioxidbilanz einzelner Werkstoffe über die gesamte Lebenszeit eines Autos hinweg. Ihr Argument: Wenn das geringere Gewicht eines Pkw über die Jahre hinweg dazu führt, dass genügend Sprit und CO2 gespart wird, ist der hohe Energieaufwand in der Herstellung vertretbar.