Demokratisch coden, jetzt auch in Berlin

VW startet 42 Akademie in der Hauptstadt

Ein dreiviertel Jahr ist es her, dass die gemeinnützige Coderschule 42 Wolfsburg ihre ersten Studenten auswählte. Jetzt geht’s weiter mit der 42 Berlin. 600 Talente sollen sich dort künftig in einem Computerspiel von Ebene zu Ebene hangeln und dabei programmieren lernen. Der erste Jahrgang startet im Herbst 2022. Hauptsponsor sind ähnlich wie in Wolfsburg Volkswagen und seine Software-Tochter Cariad, dazu kommen unter anderem SAP, Bayer, Microsoft und T-Systems.

Der Name der Akademie spielt auf die Frage nach dem Sinn des Lebens an, die ein Supercomputer im Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ nach Millionen Jahren Rechenzeit lapidar mit „42“ beantwortet. Die weltweit 36 Schulen, die dem 42-Gedanken folgen, pflegen ein basisdemokratisches Modell der Lehre. Sie stehen Bewerbern unabhängig vom Schulabschluss, Alter oder Herkunft offen. Studiengebühre, herkömmliche Curricula, Klassenräume oder Lehrer gibt es nicht. Die Teilnehmer sollen sich gegenseitig bei der Lösung von Problemen helfen und daran wachsen.

Alumni können sich weiterbilden

Herkömmliche Noten sind auch nicht vorgesehen. Allerdings gibt es das sogenannte „Black Hole“, das „Schwarze Loch“ für Studenten, die aus welchen Gründen auch immer überhaupt nicht vorankommen. „Irgendwann wird man automatisch zum Alumnus“, sagt 42 Wolfsburg-Chef Max Senges. Sprich: Wer den Anschluss verliert, fliegt ab einem bestimmten Punkt raus. Umgekehrt ist die Akademie offen für Ehemalige, die sich später in ihrem Berufsleben noch einmal weiterbilden wollen.

Der Frauenanteil in Berlin dürfte höher sein als auf anderen Coderschulen. In der 42 Wolfsburg beträgt er 27 Prozent und soll nach Möglichkeit auf 40 Prozent steigen. Ungewöhnlich ist auch der Anteil der Studenten, die einen zweiten Anlauf nehmen. Fast zwei Drittel der 42-Schülerinnen und Schüler hat bereits eine andere Ausbildung oder Berufstätigkeit im Lebenslauf. Ähnlich könnte es in Berlin aussehen, wenn erst einmal der erste Bewerbungs-Marathon bewältigt ist.

Vorläufig letzte deutsche Gründung

Aktuell ist Ralph Linde, der bei Volkswagen die Bildungsaktivitäten leitet, auf der Suche nach einer Immobilie in Berlin. In der engeren Wahl sind Standorte im Wedding und in Neukölln. Perspektivisch könnte die Schule auf mehr als 600 Coderinnen und Coder anwachsen, deswegen sollte Platz zum Wachsen sein.

Bafög gibt es für die Teilnehmer Stand heute keines. Die Schulleitung versucht deswegen, mit der KfW die Bedingungen für einen Studienkredit zu klären. Die Dauer des Studiums wird mit vier bis fünf Jahren angegeben. Allerdings dürften viele Studentinnen und Studenten die Akademie bereits früher verlassen, weil ihnen lukrative Jobs angeboten werden.

Der Mangel an IT-Fachkräften in Deutschland ist groß. Zuletzt gab der Digitalverband Bitkom die Zahl der offenen Stellen mit 86.000 an. Theoretisch wären also nach 42 Heidelberg, 42 Wolfsburg und 42 Berlin weitere Standorte denkbar. Schulleiter Max Senges stellt aber klar, das derzeit nicht an weitere Gründungen in Deutschland gedacht werde.

Ehrgeizige Ziele für Cariad

Anders als in Wolfsburg wird bei der 42 Berlin der Schwerpunkt nicht auf dem Bereich Auto-Software liegen. Trotzdem will die VW-Tochter Cariad, die unter anderem in Berlin präsent ist, den einen oder anderen Absolventen gewinnen. In den letzten zwölf Monaten habe er 1000 Entwickler eingestellt, sagte Cariad-Personalchef Rainer Zugehör. „Jetzt haben wir uns die nächsten 1000 vorgenommen.“


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