Interview mit Felix Domke: „Auf jeden Fall hat das KBA mehr Biss als früher“

Über das Kraftfahrt-Bundesamt KBA ist in den vergangenen zweieinhalb Jahren wegen Dieselgate viel Häme ausgegossen worden. Eine Behörde, die im intensiven Kontakt mit den Autoherstellern steht, die die Industrie kontrollieren soll, aber erst Mitte 2016 eigene Prüfstände dafür bekam – wie glaubwürdig kann die denn sein?

Das Bundesverkehrsministerium führte seine Flensburger Experten an der kurzen Leine, ließ sich jeden geplanten Rückruf erst einmal vorlegen – insofern waren das KBA nicht allein verantwortlich für das zähe Abarbeiten der Diesel-Vorwürfe. Mittlerweile heißt der Verkehrsminister aber nicht mehr Alexander Dobrindt, sondern Andreas Scheuer. Unter ihm atmet das Ministerium spürbar auf. Scheuer leide nicht unter dem Kontrollwahn seines Vorgängers, heißt es, und er will die alten Dieselbetrugsfälle schnell vom Tisch haben. Will heißen: Bei welchem Motor auch immer die KBA-Experten merkwürdige Codes in der Steuerung entdeckten, soll jetzt schnell Klarheit geschaffen werden, notfalls per Rückruf.

Sogar Umweltexperte Axel Friedrich, Gottseibeiuns der Industrie und Zuarbeiter der Umwelthilfe, lobt das KBA mittlerweile – es trete selbstbewusster auf als früher, lasse sich von der Industrie nicht so leicht ins Boxhorn jagen und nehme externen Sachverstand in Anspruch

Einer, der das KBA von außen unterstützt, ist Felix Domke. Der Microsoft-Experte dechiffrierte 2015 das VW-Defeat Device und überwachte später zusammen mit Experten des KBA die Nachbesserungen an der Schummelsoftware des Opel Zafira. Auch heute noch arbeitet er für die Behörde, kann also wahrscheinlich gut einschätzen, wie sie sich in den letzten zweieinhalb Jahren veränderte.

 

Vor knapp zwei Wochen der Diesel-Rückruf bei Porsche, jetzt bei Daimler. Das Kraftfahrt-Bundesamt, das jahrzehntelang wie der verlängerte Arm der Autoindustrie wirkte, legt sich auf einmal mit den Herstellern an. Täuscht der Eindruck, oder hat das Amt tatsächlich mehr Biss als früher?

Auf jeden Fall. Klar ist das KBA in bestimmten Punkten immer noch eine Behörde. Aber die Mitarbeiter hören nicht mehr nur auf das, was ein Hersteller sagt.

Wie realistisch ist es, dass ein Amt den Entwicklungsabteilungen der Autohersteller auf Augenhöhe begegnet?

Das KBA ist durch seine Ressourcen beschränkt. Heute ist es überall schwierig, IT-Leute an sich zu binden. Die öffentliche Verwaltung kann keine Industrielöhne zahlen. Softwareexperten interessiert die Arbeitsplatzsicherheit einer Behörde normalerweise nicht, denn für sie gibt es überall attraktive Jobs. Ich persönlich arbeite konstruktiv mit dem KBA zusammen und hoffe sehr, dass die Verantwortlichen es schaffen, dort trotz aller Schwierigkeiten ein Team von IT-Experten aufzubauen.

Sie haben mit dem KBA zusammen die Schummelsoftware des Opel Zafira analysiert und sich danach die Codes weiterer Hersteller vorgenommen. Wie genau läuft die Zusammenarbeit?

Beim Opel Zafira bestand der Verdacht auf eine Abschalteinrichtung, und das KBA bat mich, eine vom Hersteller zur Verfügung gestellt Software, die eine Verbesserung darstellen sollte, zu untersuchen. Interne Unterlagen der Hersteller konnte mir das Amt dafür nicht zur Verfügung stellen, aber ich bekam Zugriff auf die Engine Control Unit, also das Motorsteuergerät. Zusammen mit den Ingenieuren des Herstellers nahmen wir Messungen vor, um zu zeigen, dass die neue Software nicht mehr das problematische Verhalten der ursprünglichen Software zeigt. Dabei ging es beispielsweise um die Frage, in welchen Fahrsituation sich die Abgasreinigung abschaltet, also etwa bei hohen Geschwindigkeiten oder Drehzahlen.

Wie sauber sind die Motoren nach der Modifikation?

Es geht bei den aktuellen Software-Nachbesserungen nicht hauptsächlich darum, dass die Autos im Realbetrieb sauber werden – das ist ja nur für aktuell neu zugelassenen Pkw vorgeschrieben. Bei den bisher untersuchten Modellen reicht wohl juristisch gesehen ein sauberes Verhalten im NEFZ-Prüfzyklus. Ob das Auto auch beim dynamischen Beschleunigen auf der Autobahn die Grenzwerte einhält, ist nebensächlich. Wichtig ist, dass es wieder sauber fährt, sobald es mit moderater Geschwindigkeit in der Stadt unterwegs ist. Die Abgasreinigung muss sich dann wieder einschalten. Das ist bei manchen Modellen nicht der Fall, und in diesem Punkt muss die Software korrigiert werden.

Wirklich viel ist für die Umwelt damit nicht gewonnen. Warum treibt das KBA so einen großen Aufwand und begnügt sich mit einem so mageren Ergebnis?

Mehr ist halt nicht drin, wenn an der Hardware nichts geändert wird. Die SCR Katalysatoren, mit denen wir zu tun haben,  sind klein und funktionieren bei höheren Geschwindigkeiten nicht mehr. Deswegen muss man dann die Abgasreinigung herunterfahren, um nicht noch giftigere Stoffe als Stickoxid zu produzieren. Diese Technik der Verbrennungsmotoren wurde über Jahrzehnte entwickelt und ist so gut wie ausgereizt.

Sie nehmen für Ihre Arbeit die Hilfe der Industrie in Anspruch. Warum?

Software-Analyse ist durchaus auch ohne den Hersteller zu schaffen, erfordern aber einen ungleich höheren Aufwand. In der Steuerungssoftware eines Motors sind zigtausende Daten verarbeitet, die per Hand entsprechend zugeordnet werden müssen. Die Dokumentation des Herstellers vereinfacht diese Aufgabe erheblich.

Wenn die Autofirmen in die Aufklärung eingebunden sind, können sie weiter tricksen.

Genau, dieses Risiko besteht natürlich. Es gibt zwar genormte Messverfahren für die Motorsteuerung, die in der gesamten Industrie verwendet werden. Diese Verfahren zu manipulieren wäre schon sehr riskant – da müsste jemand schon mit der gezielten Absicht zu betrügen ans Werk gehen. Aber natürlich wäre es noch besser, wenn sich so etwas komplett ausschließen ließe.

Trotzdem hört sich das nicht nach einer gleichberechtigten Zusammenarbeit an.

Klar, allein durch ihr umfassendes Wissen über die Software haben uns die Autohersteller bis zu einem gewissen Grad in der Hand. Das Ungleichgewicht zwischen Industrie und externen Kontrolleuren wird durch das automatisierte Fahren und die sehr komplexen dort verwendeten Algorithmen wahrscheinlich noch größer. Dazu kommt der Aspekt der Sicherheit. Heute sind die Mechanismen, mit denen sich die Autobranche gegen digitale Zugriffe abschirmt, veraltet. Künftig werden sich die Autobauer besser schützen. Dann können die Systeme aber auch noch schlechter als heute von außen kontrolliert werden. Deswegen müssen sie aus meiner Sicht gesetzlich verpflichtet werden, die Überprüfung ihrer Software in einem gesicherten Datenraum zuzulassen.

 


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