Porsche vor dem Sprung ins Elektro-Zeitalter

Noch sechs Wochen, dann will Porsche den Einzug der Elektromobilität im Unternehmen feiern. Am 9. September, einen Tag vor Beginn der Automesse IAA, lädt der Hersteller zur Einweihung des neuen Taycan-Werkes in Stuttgart-Zuffenhausen. Jede Menge Prominenz aus dem VW-Konzern wird zugegen sein, schließlich geht es nicht um irgendein Auto, sondern um den ersten reinen Porsche-Stromer. Nach dem Fest fahren Manager und Aufsichtsräte mit dem ICE, der zu diesem Zweck eigens an der S-Bahn-Station Stuttart-Neuwirtshaus hält, nach Frankfurt zur IAA.

30 000 Interessenten

Über 30 000 Kunden haben bisher 2500 Euro überwiesen, um sich einen Taycan zu reservieren, berichtet Porsche-Produktionsvorstand Albrecht Reimold. Ursprünglich hatte Porsche als Produktionsziel für 2020 rund 20.000 Taycan angegeben. Wie es aussieht, müssen die Stuttgarter also den Takt in der Fertigung schneller hochfahren als geplant. Eine willkommene Herausforderung. Überhaupt wirken die Porsche-Experten nicht so, als würde ihnen der Umstieg auf emissionslose Antriebsarten wirklich Sorgen bereiten. Der Sportwagenhersteller ist in der glücklichen Lage, für das Abenteuer Elektromobilität nicht annähernd die Stückzahlen realisieren zu müssen wie Konzernschwester VW, die 2020 in der Golfklasse den ID.3 auf den Markt bringt.

Die Großbaustelle am Porsche-Stammsitz in Zuffenhausen ist so gut wie fertiggestellt. Dort wurden Montage, Lackiererei, Motorenbau und Karosseriebau für den Taycan aus dem Boden gestampft. Erst 2015 fiel die Entscheidung für den Taycan, deswegen blieb nicht genügend Zeit, tiefe Baugruben auszuheben. Eine Herausforderung für die Planer: Denn höher als 38 Meter durfte Porsche nicht bauen, da der Standort in einer Schneise liegt, die den Stuttgarter Talkessel mit Frischluft versorgt. In die Breite kann der Hersteller wegen der beengten Verhältnisse vor Ort ebenfalls nicht wachsen. Die Planer mussten sich für die Montage also vollkommen neue Lösungen einfallen lassen. Herausgekommen ist ein Produktionssystem, in dem anstelle von Bändern autonom fahrende Wagen die Werker mit den Teilen versorgen.

Job-Offensive in Stuttgart

Auch beim Personal ist der Zeitplan ambitioniert. 1500 Mitarbeiter will Porsche für den Taycan neu ausbilden. Stand heute sind davon erst 1000 Mitarbeiter an Bord. 100 Beschäftigte wurden vom VW-Werk in Emden übernommen, rund 400 Beschäftigte sollen aus der bestehenden Porsche-Produktion zum Taycan wechseln.

Normalerweise hat Porsche keine Mühe, gute Fachkräfte zu engagieren. Doch die rasche Rekrutierung und Ausbildung für die Taycan-Fertigung bezeichnet Projektleiterin Jasna Peters als Herausforderung. Unter anderem müssen die Beschäftigten lernen, mit Hochspannung umzugehen. Pro Mitarbeiter sind ein bis sechs Monate Schulung eingeplant. Branchenfremde oder ungelernte Kräfte haben als Bewerber keine Chance, die Facharbeiter-Ausbildung ist ein Muss. Neben herkömmlichem Unterricht hat Porsche eine digitale Lernplattform aufgesetzt. Über Videos und Quizzes, die auch auf dem Smartphone abrufbar sind, können sich die Beschäftigten spielerisch Wissen aneignen.

Die vom Facharbeitermangel geplagten Zulieferer im Neckarraum bringt die Porsche-Einstellungsoffensive in eine schwierige Situation. Der Arbeitsmarkt ist weitgehend leergefegt. Bindet Porsche Menschen mit gefragten Qualifikationen an sich, bleiben für die Zulieferer nicht mehr genügend Leute. „Manche Firmen fragen uns, ob wir ihnen nicht die Bewerber melden können, die wir abgelehnt haben“, berichtet Porsche-Personalvorstand Andreas Haffner.

Bewährungsprobe für die Beziehung zwischen Porsche und Audi

Während die Taycan-Produktion hochgefahren wird, tüfteln Porsche-Experten zusammen mit ihren Audi-Kollegen in Ingolstadt an der Elektro-Plattform PPE Premium Platform Electric. Sie soll 2022 fertig sein und wird dann sowohl für Elektro-Modelle von Audi als auch von Porsche zur Verfügung stehen. Wochenweise fahren Porsche-Mitarbeiter nach Ingolstadt. Die vom Konzern verordnete Zusammenarbeit ist eine Bewährungsprobe für die Beziehung zwischen Audi und Porsche, die in der Vergangenheit nicht frei von Spannungen war.

Aber an der Kooperation geht kein Weg vorbei. Denkbar ist, dass – ähnlich wie Volkswagens Elektro-Baukasten MEB, der auch an Wettbwerber verkauft werden soll – die PPE-Plattform auf mittlere Sicht für andere Hersteller geöffnet wird. Schließlich muss Porsche versuchen, die sechs Milliarden Euro, die der Hersteller bis 2022 für die Elektromobilität aufwendet, so schnell wie möglich wieder einzuspielen.

„Bentley, Bughtti oder Lamborghini könnten die Technik nutzen“, sagt Porsche-Produktionsvorstand Albrecht Reimold auf FOCUS-Nachfrage. Aber das sei noch Zukunftsmusik. „Es muss immer gewährleistet sein, dass sich die Marken unterscheiden.“

Was die Abgrenzung zwischen Audi und Porsche angeht, achtet Ex-Audi-Manager Reimold sowieso genau auf die feine Unterscheidung zwischen Premium (Audi) und Luxus (Porsche): „Wenn andere Hersteller Technik von Porsche nutzen, haben sie bei der Performance einen Abstand zu halten.“

Wäre ja noch schöner, wenn ein Audi einen Porsche irgendwann mal im Praxistest abhängt.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter: