Nicht kleckern, klotzen. Thomas Ulbrich, VW-Markenvorstand für Elektromobilität nimmt 1,2 Milliarden Euro in die Hand, um den VW-Standort Zwickau bis Ende 2019 für die Produktion von Stromern umzubauen. Die Fabrik wird das Leitwerk für Elektromobilität. Hier sollen 2021 insgesamt 330 000 Elektrofahrzeuge pro Jahr vom Band laufen: der I.D., der I.D. Crozz, ein weiteres Derivat der Reihe sowie drei Elektromodelle von Audi und Seat. Vom Verbrenner verabschiedet sich das Werk vollständig.
Jetzt gilt’s. Wird die Elektromobilität profitabel?
Der Autobau in Zwickau hat eine lange Tradition. 1904 wurden hier die Horch-Werke (später Audi) gegründet. Zu DDR-Zeiten lief hier der Trabant mit einem von VW lizenzierten Motor vom Band. Nach dem Fall der Mauer investierte Volkswagen in eine neue Fabrik. Jetzt muss VW in Zwickau beweisen, dass es mit Elektromobilen made in Sachsen die Mobilitätswende schafft.
Es ist eine Operation am offenen Herzen: Noch während in Zwickau der Golf und der Golf Variant montiert werden, installieren die VW-Techniker Roboter, die schon in einem Jahr die neuen Autos montieren werden. Gleichzeitig führen die Produktionsplaner neue Technologien in der Fertigung ein. Bei der Zusammenarbeit von Menschen und Robotern ist Volkswagen ein gutes Stück vorangekommen. Vielfach reichen Roboter den Beschäftigten Werkstücke an oder sie entlasten sie gezielt, wenn sperrige Teile in die Karosserie eingefügt werden müssen. Selbstfahrende Transportplattformen werden in naher Zukunft Material vollautomatisiert ans Band bringen, ohne dass ein Anlagenführer die Übersicht behalten muss.
Monatelange Schulungen für die Belegschaft
Für die 5000 Mitarbeiter in der Produktion werden aufwändige, zum Teil monatelange Schulungen fällig, bis sie, so der Anspruch von Volkswagen „Strom im Blut“, haben. Die Schulungen reichen vom Umgang mit neuen Materialien über den Einsatz von 3-D-Technik bis zur Sicherung der Beschäftigten im Hochvolt-Bereich gegen Stromschläge. Dirk Coers, Personalchef von VW Sachsen, erwartet von den Werkern die Bereitschaft, immer wieder umzudenken. Bis 2020 wird praktisch jeder einen neuen Job innerhalb des Unternehmens lernen müssen, manche sogar zweimal hintereinander umgeschult werden. Im Gegenzug erhält die Belegschaft eine Jobgarantie bis 2025.
Elektroautos sind einfacher zu montieren als Verbrenner – deswegen hängt die langfristige Beschäftigungssicherung der insgesamt 7700 Menschen zählenden Belegschaft in Zwickau davon ab, dass die Nachfrage nach E-Fahrzeugen auch wirklich anzieht wie von Volkswagen geplant. Der Hersteller legt viel Wert auf seinen ökologischen Ansatz. Grüner Strom aus Österreich treibt die Maschinen an, die Lieferanten von Batteriezellen werden ebenfalls darauf verpflichtet, ausschließlich Energie aus regenerativen Quellen zu verwenden.
Um die Kunden für die neuen Modelle zu begeistern, tritt VW bei den Preisen auf die Bremse. Gerade mal um die 25 000 Euro soll der I.D. kosten. Zumindest anfangs dürfte das Auto für Volkswagen ein Zuschussgeschäft sein. „Das Margenthema ist schwierig“, gesteht Thomas Ulbrich. Über Skaleneffekte, hofft er, werde die Profitabilität „irgendwie am Horizont“ auftauchen. Im Laufe eines Modellzyklus, also innerhalb von sieben Jahren, solle sich der I.D. irgendwie rechnen.
Rund 40 Prozent des Fahrzeugwertes entfallen auf die Batterie. Damit ist VW auf kooperative Zellenlieferanten angewiesen. Zum Teil, sagt Ulbrich, habe Volkswagen mit ihnen langfristige Verträge abgeschlossen. Zum anderen Teil aber eben auch nicht. Je höher die Stückzahlen, desto effektiver ist damit der finanzielle Hebel, denn die Zulieferer ansetzen können. Richtig brenzlig könnte die Situation ab 2025 werden, wenn VW mit seinen E-Werken (nach heutigem Stand neben Zwickau im chinesichen Foshan und Anting, in Dresden, Hannover und Emden) eine Million Autos pro Jahr produzieren will. Aber zunächst sind alle im Unternehmen froh, wenn die der Produktionsanlauf klappt und sich die hohen Investitionen in die neuen Antriebe nicht von Anfang an als Flop erweisen.