Zulieferer

Bosch verkauft Anlasser-Sparte nach China

Den Bosch-Beschäftigten in Hildesheim ist das Schicksal von Blaupunkt in unguter Erinnerung. 2008 wurde das Unternehmen für Unterhaltungselektronik zum Teil an den Finanzinvestor Aurelius verkauft, es folgten weitere Eigentümerwechsel und Firmengründungen, 2015 die Insolvenz.

Mit der traditionsträchtigen Starter- und Generatorenfertigung von Bosch soll das nicht passieren – das hofft jedenfalls die Geschäftsführung der Sparte,  das verspricht auc das Management der Zhengzhou Coal Mining Machinery Group (ZMJ). Bosch verkauft den Bereich an die Chinesen, angeblich für 545 Millionen Euro. Auf einer Betriebsversammlung heute Vormittag, moderiert von Bosch-Bereichsleiter Ulrich Kirschner, präsentierte das  ZMJ-Management seine Pläne für die Entwicklung und die Fertigung. ZMJ kommt aus dem Kohlebergbau und fertigt hydraulische Stützen, eine Tochter stellt preisgünstige Generatoren für automobile Anwendungen her. Bisher ist das Unternehmen auf dem asiatischen Markt stark. Mit den technisch anspruchsvolleren Produkten von Bosch will es jetzt in Nordamerika aktiv werden und von der Wende zur Elektromobilität profitieren.

Von dem Verkauf sind in Deutschland in Schwieberdingen gut 500 Beschäftigte, vor allem Entwickler, und im Hildesheimer Werk 1000 Mitarbeiter betroffen. Weltweit zählt die Bosch-Sparte nach unterschiedlichen Quellen zwischen 7000 und 10 000 Beschäftigte. Seit zwei Jahren laufen die Verkaufsverhandlungen. Der Betriebsrat konnte eine Reihe von Sicherheiten für die Belegschaft festzurren. Unter anderem konnten alle Mitarbeiter dem Betriebsübergang widersprechen und haben ein lebenslanges Rückkehrrecht zu Bosch. In Schwieberdingen machten davon bisher über 100 Mitarbeiter Gebrauch. Schwieriger war es für die gewerblichen Beschäftigten in Hildesheim, wo vergleichbare Arbeitsplätze rar sind.

ZMJ sicherte zu, bis Ende 2020 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, bis Ende 2022 sind außerdem die Standorte vertraglich geschützt. „Auf den Folien, die wir heute gesehen haben, wurden  Investitionen zugesichert“, berichtet Björn Kallis von der IG Metall – verbindliche Zusagen über bestimmte Summen habe es allerdings nicht gegeben. Der Schwieberdinger Entwicklungsstandort soll schon zum 1. Juni nach Weilimdorf umziehen.

Für die Beschäftigten ist die chinesische Lösung vor allem im Hinblick auf das Werk in Hildesheim eine vergleichsweise gute Option. In der Vergangenheit stand immer wieder die Frage im Raum, wie sich die vergleichsweise Bosch-Sparte auf dem Weltmarkt behaupten solle. Deswegen überwiegt bei allen Befürchtungen jetzt die Erleichterung darüber, dass ein Bieter zum Zug kam, der ein industrielles Konzept für Starter und Generatoren vorlegt, und noch dazu eines, das mit der E-Mobilität auf eine Zukunftstechnik setzt.

Bosch / Nvidia: Kampfansage an Mobileye

Nvidia und Bosch bauen zusammen Systeme fürs Autonome Fahren – diese Kooperation hat das Potential, die Autoindustrie aufzumischen. Die Firmen stellten heute auf der Messe Bosch Connected World einen Rechner vor, der Künstliche Intelligenz ermöglichen soll, die komplexe Fahrsituationen schnell analysiert und darauf reagiert. Die Rede ist von einem neuen „Gehirn“ fürs Auto, klein genug, um in jedem Pkw verbaut zu werden.

Bosch kann bei diesem Projekt seine Expertise in der Vernetzung von Gegenständen einbringen – die Einbindung des häuslichen Kühlschranks und des Smartphones in die Bedienoberfläche des Pkw sollte für die Stuttgarter ein Kinderspiel sein. Nvidia-Chef Jen-Hsun Huang kündigte aber noch viel mehr an: Bis 2019 soll mit dem System Autonomes Fahren des Level 4 möglich sein, sagte er.

By nvidia.corporation – Jen-Hsun Huang Headshot, CC BY

Wobei damit nicht gesagt ist, dass 2019 auch schon die ersten Autos mit dem System in Serie gehen. Dazu brauche es Sensoren, die mehr leisten als heutige Geräte, sagte Michael Fausten, bei Bosch zuständig für das Autonome Fahren. Aber auch Fausten räumt ein, dass Bosch/Nvidia mit dem neuen Angebot in direkte Konkurrenz zu Mobileye geht. „Mobileye ist unser direkter Konkurrent, und wir sind besser“, sagt ein Nvidia-Mann auf der Messe, will sich aber nicht gerne namentlich zitieren lassen.  Das israelische Unternehmen Mobileye liefert Kameras und Software fürs Autonome Fahren, freut sich über eine Partnerschaft mit BMW und VW freut und wurde gerade von Intel gekauft.  BMW erprobt in diesem Jahr in München Autos, die sich ohne Fahrer zurechtfinden (Stufen drei bis fünf) und hat das Autonome Fahren (Level 4) für 2021 angekündigt.

Jetzt also die Reaktion der Konkurrenz. Elmar Frickenstein, der für BMW das Autonome Fahren vorantreibt, reagiert gelassen. Die Systeme von Nvidia, Bosch, intel und Mobileye könnten in verschiedenen Konstellationen für BMW verbaut werden, sagte er.

Möglicherweise ist das aber nicht genau das Szenario, das Bosch anstrebt.  Schon bisher argwöhnten die Chefs der OEMs, Bosch-Chef Volkmar Denner verstehe sein Unternehmen nicht mehr nur als Zulieferer, sondern spiele sein eigenes Spiel. Diese alten Befürchtungen dürften wieder aufleben. Über seine smart Devices hat Bosch nämlich einen exzellenten Zugang zum Haushalt der Kunden. Mag sein, dass es keinen wirklichen Alltagsnutzen bietet, den Staubsauger vom Auto aus einzuschalten – ein witziges Feature dürfte es für techikaffine Kunden trotzdem sein. Jetzt muss es Bosch nur noch schaffen, mit den Daten der Kunden soziale Netzwerke aufzubauen oder Produkte für weitere Anbieter wie Versicherer oder Reiseunternehmen aufzulegen – dann dürfte Denner endgültig in den direkten Wettbewerb mit den Autoherstellern eintreten.

Grammer: Vergrault Prevent die Kundschaft?

Wenn Hastor kommt, gehen die Kunden – diese Sorge treibt zurzeit Mitarbeiter und Aktionäre des niederbayerischen Autozulieferers Grammer um. Analyst Christian Ludwig vom Bankhaus Lampe sieht schwarz für den Fall, dass die bosnische Unternehmerfamilie Hastor über ihre Zulieferfirma Prevent und die Investmentgesellschaft Cascade International bei dem Sitzehersteller ihren Einfluss erhöht.

Die Hastor-Gruppe kontrolliert indirekt  über 20 Prozent der Anteile von Grammer. “Es besteht das Risiko, dass Prevent Grammer benutzt, um Autohersteller unter Druck zu setzen“, sagt Christian Ludwig. „Damit läuft Grammer, sollte die Hastor-Gruppe einen größeren Einfluss im Unternehmen gewinnen, Gefahr, dass die Kunden sich nach einem anderen Lieferanten umsehen. So etwas passiert sicher nicht über Nacht, aber ersetzbar ist Grammer definitiv.”

Nur mit Mühe erholte sich Volkswagen im vergangenen Jahr von dem Prevent-Schock. Damals legte  der kleine Zulieferer mit einem Lieferstopp die VW-Produktion lahm, um seine Ansprüche gegenüber dem Konzern durchzusetzen.

Die Schwesterfirma von Prevent, Cascade International,  macht jetzt bei Grammer geltend, der Zulieferer leide seit Jahren an einer Erosion der Gewinnmarge, ohne dass sich das Management dagegen stemme. Deswegen will Cascade auf einer außerordentlichen Hauptversammlung den größten Teil des Grammer-Aufsichtsrates mit eigenen Leuten besetzen. Der nächste logische Schritt wäre der Austausch des Managements. Und dann?

Analyst Ludwig kann die Kritik an der Ertragskraft “nicht nachvollziehen“. Das Unternehmen habe in der Vergangenheit Probleme gehabt, räumt er ein, „aber sie sind mittlerweile auf einem guten Weg. Deswegen halten wir Grammer für fair bewertet. Das Geschäftsfeld von Grammer ist von vergleichsweise niedrigen Margen geprägt, Gewinne wie bei Continental darf man sich da nicht erträumen.”

 

Wie du mir, so ich dir

Volkswagen gilt als wenig zimperlich im Umgang mit seinen Zulieferern. Der Fall Prevent zeigt, dass es auch einmal andersherum laufen kann: Dass ein Zulieferer den Hersteller unter Druck setzt und sich dabei wenig um die Konsequenzen schert.