Archiv für den Monat: Juli 2019

Porsche vor dem Sprung ins Elektro-Zeitalter

Noch sechs Wochen, dann will Porsche den Einzug der Elektromobilität im Unternehmen feiern. Am 9. September, einen Tag vor Beginn der Automesse IAA, lädt der Hersteller zur Einweihung des neuen Taycan-Werkes in Stuttgart-Zuffenhausen. Jede Menge Prominenz aus dem VW-Konzern wird zugegen sein, schließlich geht es nicht um irgendein Auto, sondern um den ersten reinen Porsche-Stromer. Nach dem Fest fahren Manager und Aufsichtsräte mit dem ICE, der zu diesem Zweck eigens an der S-Bahn-Station Stuttart-Neuwirtshaus hält, nach Frankfurt zur IAA.

30 000 Interessenten

Über 30 000 Kunden haben bisher 2500 Euro überwiesen, um sich einen Taycan zu reservieren, berichtet Porsche-Produktionsvorstand Albrecht Reimold. Ursprünglich hatte Porsche als Produktionsziel für 2020 rund 20.000 Taycan angegeben. Wie es aussieht, müssen die Stuttgarter also den Takt in der Fertigung schneller hochfahren als geplant. Eine willkommene Herausforderung. Überhaupt wirken die Porsche-Experten nicht so, als würde ihnen der Umstieg auf emissionslose Antriebsarten wirklich Sorgen bereiten. Der Sportwagenhersteller ist in der glücklichen Lage, für das Abenteuer Elektromobilität nicht annähernd die Stückzahlen realisieren zu müssen wie Konzernschwester VW, die 2020 in der Golfklasse den ID.3 auf den Markt bringt.

Die Großbaustelle am Porsche-Stammsitz in Zuffenhausen ist so gut wie fertiggestellt. Dort wurden Montage, Lackiererei, Motorenbau und Karosseriebau für den Taycan aus dem Boden gestampft. Erst 2015 fiel die Entscheidung für den Taycan, deswegen blieb nicht genügend Zeit, tiefe Baugruben auszuheben. Eine Herausforderung für die Planer: Denn höher als 38 Meter durfte Porsche nicht bauen, da der Standort in einer Schneise liegt, die den Stuttgarter Talkessel mit Frischluft versorgt. In die Breite kann der Hersteller wegen der beengten Verhältnisse vor Ort ebenfalls nicht wachsen. Die Planer mussten sich für die Montage also vollkommen neue Lösungen einfallen lassen. Herausgekommen ist ein Produktionssystem, in dem anstelle von Bändern autonom fahrende Wagen die Werker mit den Teilen versorgen.

Job-Offensive in Stuttgart

Auch beim Personal ist der Zeitplan ambitioniert. 1500 Mitarbeiter will Porsche für den Taycan neu ausbilden. Stand heute sind davon erst 1000 Mitarbeiter an Bord. 100 Beschäftigte wurden vom VW-Werk in Emden übernommen, rund 400 Beschäftigte sollen aus der bestehenden Porsche-Produktion zum Taycan wechseln.

Normalerweise hat Porsche keine Mühe, gute Fachkräfte zu engagieren. Doch die rasche Rekrutierung und Ausbildung für die Taycan-Fertigung bezeichnet Projektleiterin Jasna Peters als Herausforderung. Unter anderem müssen die Beschäftigten lernen, mit Hochspannung umzugehen. Pro Mitarbeiter sind ein bis sechs Monate Schulung eingeplant. Branchenfremde oder ungelernte Kräfte haben als Bewerber keine Chance, die Facharbeiter-Ausbildung ist ein Muss. Neben herkömmlichem Unterricht hat Porsche eine digitale Lernplattform aufgesetzt. Über Videos und Quizzes, die auch auf dem Smartphone abrufbar sind, können sich die Beschäftigten spielerisch Wissen aneignen.

Die vom Facharbeitermangel geplagten Zulieferer im Neckarraum bringt die Porsche-Einstellungsoffensive in eine schwierige Situation. Der Arbeitsmarkt ist weitgehend leergefegt. Bindet Porsche Menschen mit gefragten Qualifikationen an sich, bleiben für die Zulieferer nicht mehr genügend Leute. „Manche Firmen fragen uns, ob wir ihnen nicht die Bewerber melden können, die wir abgelehnt haben“, berichtet Porsche-Personalvorstand Andreas Haffner.

Bewährungsprobe für die Beziehung zwischen Porsche und Audi

Während die Taycan-Produktion hochgefahren wird, tüfteln Porsche-Experten zusammen mit ihren Audi-Kollegen in Ingolstadt an der Elektro-Plattform PPE Premium Platform Electric. Sie soll 2022 fertig sein und wird dann sowohl für Elektro-Modelle von Audi als auch von Porsche zur Verfügung stehen. Wochenweise fahren Porsche-Mitarbeiter nach Ingolstadt. Die vom Konzern verordnete Zusammenarbeit ist eine Bewährungsprobe für die Beziehung zwischen Audi und Porsche, die in der Vergangenheit nicht frei von Spannungen war.

Aber an der Kooperation geht kein Weg vorbei. Denkbar ist, dass – ähnlich wie Volkswagens Elektro-Baukasten MEB, der auch an Wettbwerber verkauft werden soll – die PPE-Plattform auf mittlere Sicht für andere Hersteller geöffnet wird. Schließlich muss Porsche versuchen, die sechs Milliarden Euro, die der Hersteller bis 2022 für die Elektromobilität aufwendet, so schnell wie möglich wieder einzuspielen.

„Bentley, Bughtti oder Lamborghini könnten die Technik nutzen“, sagt Porsche-Produktionsvorstand Albrecht Reimold auf FOCUS-Nachfrage. Aber das sei noch Zukunftsmusik. „Es muss immer gewährleistet sein, dass sich die Marken unterscheiden.“

Was die Abgrenzung zwischen Audi und Porsche angeht, achtet Ex-Audi-Manager Reimold sowieso genau auf die feine Unterscheidung zwischen Premium (Audi) und Luxus (Porsche): „Wenn andere Hersteller Technik von Porsche nutzen, haben sie bei der Performance einen Abstand zu halten.“

Wäre ja noch schöner, wenn ein Audi einen Porsche irgendwann mal im Praxistest abhängt.

Dieselgate: VW contra VW-Fachkraft

Hinterher ist man ja immer schlauer. Hätte sich VW etwas besseres einfallen lassen, um mit den US-Grenzwerten für Stickoxidemissionen klarzukommen, wäre der Autobranch viel Schaden erspart geblieben. Für Volkswagen selbst summieren sich die direkten Kosten des Skandals bisher auf 29 Milliarden Euro. Kosten, die zu vermeiden gewesen wären, wenn die Verantwortlichen und die vielen Mitwisser dem Betrug rechtzeitig einen Riegel vorgeschoben hätten. Wenn sie nicht jede Weisung widerspruchslos ausgeführt hätten. 

Hätte, wäre. Wieviel Rückrat darf man innerhalb eines hierarchischen Systems von den Beschäftigten erwarten? Das Arbeitsgericht Braunschweig muss in derzeit fünf Verfahren entscheiden, ob Volkswagen Angestellten, die in den Dieselskandal mittel- oder unmittelbar beteiligt waren, kündigen darf – und ob der Konzern ein Recht darauf hat, sich wenigstens einen Teil seiner Kosten von ihnen zurückzuholen.

Stefanie J., um die es heute in Braunschweig geht, dürfte kaum 29 Milliarden Euro aufbringen, auch wenn sie bis zu ihrem Rausschmiss bei VW gut verdiente, angeblich gut 15.000 Euro im Monat. Ex-VW-Chef Martin Winterkorn bekommt heute noch über 3000 Euro am Tag – ihm wurde nicht gekündigt. 

Jetzt muss das Arbeitsgericht Braunschweig entscheiden, wer mehr Verantwortung trug: Der Ex-Boss, der für seine Akribie und Detailverliebtheit bekannt war, der auf eine minutiöse Erfüllung seiner Direktiven pochte – oder eine Abteilungsleiterin, die im wesentlichen für die Ausführung der Direktiven sorgen musste, die von oben kamen? 

Eine entscheidende Rolle für die Beantwortung dieser Frage spielt ein Treffen von Fach-und Führungskräften am 15. November 2006, bei dem der Einsatz der Schummelsoftware in den Vereinigten Staaten beschlossen wurde. Wer bei diesem Treffen dabei war, kann nach heutigem Stand schwer behaupten, von dem Betrug nichts geahnt zu haben.

Bei der Entscheidung über das Defeat Device angeblich nicht dabei

Nur: Angeblich war Stefanie J. bei diesem entscheidenden Meeting nicht mit dabei. Auch danach war sie angeblich nicht direkt an der Software beteiligt, nahm sie allerdings zur Kenntnis, ohne dagegen vorzugehen.

Kann sie als eine der Urheberinnen der millionenfachen illegalen Trickserei bezeichnet werden? Offensichtlich hielt man ihre Rolle bei VW lange Zeit für wenig relevant. Auch nachdem der Dieselskandal öffentlich geworden war, arbeitete sie bei VW weiter. Angeblich wurde sie 2017 sogar noch befördert. Erst 2018 kam die Kündigung – möglicherweise unter dem Druck von US-Monitor Larry Thompson, dem die Aufklärung bei VW nicht schnell genug ging. Vielleicht aber auch deswegen, weil VW die Aufmerksamkeit der Justiz und der Öffentlichkeit von den höheren Führungskräften weg auf die unteren Hierarchieebenen lenken wollte.

Wer muss am Ende für den systematischen Betrug am Kunden, der Umwelt, den Beschäftigten und Anlegern von VW haften? Wie wichtig ist der Justiz und dem Unternehmen eine wahrheitsgetreue Offenlegung der Entscheidungsstrukturen des Konzerns?

Wie es aussieht, hat Stefanie J. bisher keinen neuen Job. Vor Gericht wirkte sie zuletzt angegriffen. Heute verkündet das Braunschweiger Arbeitsgericht seine Entscheidung.

Dudenhöffer contra „Monster-SUV“

Das rapide gewachsene Segment der SUV gilt als Klimakiller schlechthin. Für die Deutsche Umwelthilfe DUH sind sie „Autos, die die Welt nicht braucht„. Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research der Uni Duisburg-Essen bricht jetzt eine Lanze für sie. So klimaschädlich wie die Optik suggeriert, seien SUV gar nicht.

„Die in Deutschland in den ersten sechs Monaten des Jahres neu zugelassenen SUV haben im Durchschnitt 144,1 Gramm CO2/Km ausgestoßen“, so der Professor. Das entspreche einem Durchschnittsverbrauch von 6,2 Liter Benzin auf 100 km.

Coupés klimaschädlicher als SUV?

Limousinen oder Kompaktvans wie der Renault Scenic oder der VW Touran, die Mercedes B-Klasse oder der BMW 2er Active Tourer würden im Schnitt auf 139,3 Gramm CO2 kommen. Das entspreche auf 100 Kilometern einem Benzinverbrauch von gerade mal 0,2 Litern weniger als die SUV. Und die im ersten Halbjahr neu zugelassenen Coupés seien sogar deutlich größere Klimasünder.

Ihre Emissionen seien also kein wirkliches Argument gegen die SUV, so der Professor – mit einer Ausnahme: Sogenannte „Monster-SUV“ mit über 4,90 Metern Länge. Gemeint sind beispielsweise BMW X7 M50d Steptronic Sport (234 CO2 g/km), Audi Q8 50 TDI (216 g/km) , Mercedes GLS (224 g/km) oder Landrover Range Rover Sport 3.0 SDV6 SE Automatik (lt. ADAC 304 g/km). Zum Vergleich: Die EU schreibt ab 2020 für neu zugelassene durchschnittliche Flottenwerte von 95g CO2/km vor (plus einem Gewichtszuschlag für schwere Fahrzeuge).

Wie genau die Hersteller angesichts ihrer aktuellen Verbräuche die Werte einhalten wollen, ist unklar. Aus heutiger Sicht ist die wahrscheinlichste Option, dass sie Hybride und reine Stromer mit Kaufanreizen in den Markt drücken. So können die Flottenverbräuche mit Gewalt nach unten korrigiert werden. Aber die Profitabilität leidet darunter.

Die Breite und Länge machen es

2010 waren, so Dudenhöffer, gerade mal 10 „Monster-SUV“ auf dem Markt. 2019 seien es mehr als doppelt so viele. Im Gleichschritt mit der Länge der Autos wuchs ihre Breite. 1,90 Meter waren 2010 die Ausnahme, 2019 sind in Deutschland 16 Autos mit über 1,90 Metern erhältlich.

Für den Verkauf in den USA seien Monster-SUV eine Option, so Dudenhöffer. Aber auf dem heimischen Markt sieht der Autoexperte mehr Risiken: Mit einem Anteil von nur zwei Prozent am gesamten SUV-Markt sei ihre Bedeutung gering, der potentielle Image-Schaden aber groß. Die Autos würden die Glaubwürdigkeit der Hersteller in der Klimadebatte untergraben so der Professor. „Ein Monster-Riesen kann mehr Markenwert zerstören als auf der Einnahmeseite in die Klasse fließen.“

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Heute wird aller Voraussicht nach über die Zukunft von BMW entschieden. Noch-Vorstandschef Harald Krüger geht, sein Nachfolger wird wohl Produktionsvorstand Oliver Zipse. Der neue Boss wird möglichst bald weitreichende Entscheidungen treffen, um Anlegern, Kunden und MItarbeitern einen Neustart zu signalisieren.  Und er wird BMW noch mehr als bisher für Kooperationen öffnen müssen

Lavieren ist keine Option

Auf den ersten Blick verbindet Harald Krüger und Oliver Zipse vieles: Beide haben sich als Produktionsvorstände bewährt, beide treten konzentriert, beherrscht und verbindlich auf, haben sich ihre Sporen mit einer makellosen BMW-Karriere verdient, unter anderem das wichtige Ressort Produktion geleitet. Zipse – so die Hoffnung bei BMW – ist entscheidungsstärker als Krüger. Das wird er auch sein müssen, wenn er sich nicht ähnlich wie sein Vorgänger zwischen den teils gegenläufigen Interessen im Unternehmen verheddern möchte.

Lavieren kann sich BMW nicht leisten, will der Hersteller nicht vom leidigen Stückzahlenthema eingeholt werden. BMW sei auf lange Sicht zu klein, um alleine zu überleben, hieß es in der Vergangenheit immer wieder, besonders nach dem Rover-Debakel. Aber der Hersteller wuchs und wuchs und wuchs. Die Münchner ließen sich allenfalls auf Kooperationen beim Einkauf und bei technischen Einzelthemen ein, entwickelten beispielsweise zusammen mit PSA Peugeot Citroën Motoren. Der Premium-Preiszuschlag, den die Kunden für einen BMW akzeptieren, machte die Nachteile der im Vergleich mit VW oder Toyota geringen Stückzahlen wett.

Digi-Dienste ohne Ertragsmodell?

Mit Premium allein wird BMW aber kaum durch die Mobilitätswende kommen. Will der Hersteller genügend Kunden für Elektroantriebe begeistern, um den Verbrauch seiner Flotte im Schnitt zu drücken, muss er neue E-Modelle oder wenigstens Hybride auf den Markt bringen. 25 sollen es bis 2023 sein, die Hälfte davon rein elektrisch. Und es wäre keine Überraschung, wenn diese Zahl in den nächsten Jahren noch einmal nach oben korrigiert wird.
Die neuen Autos kosten, genauso die aufwendigen digitalen Dienste, mit denen BMW das Innenleben der Cockpits aufwertet. Beim autonomen Fahren wollen die Münchner – künftig zusammen mit Daimler – sowieso am liebsten auf Augenhöhe mit Waymo und Uber mitmischen. Fatal ist aber, dass BMW in Teilen keinen rechten Plan zu haben scheint, wie die Milliarden-Investitionen wieder eingespielt werden können. Während Volkswagen in seine Plattform “Volkswagen We” ausdrücklich Angebote externer Dienstleister integrieren und sich von diesen Kooperationen Erträge erwartet, pflegt BMW einen puristischen Ansatz. “Wir sagen ganz explizit: Daran möchten wir nichts verdienen”, so Christoph Grote, bei BMW zuständig für Forschung, Neue Technologien und Innovationen.

Auch die neue Partnerschaft mit Daimler beim Carsharing unter der Marke „Share Now“ sorgt zwar für eine beeindruckende Zahl von zumindest potentiellen Kunden, dürfte aber vorerst keine hohen Profite generieren. Der Markt ist umkämpft, hohe Margen sind bisher noch Utopie.

Neue Partnerschaften absehbar

Zipse muss also überlegen, wo neue Erträge herkommen sollen – oder sparen. Ein Ausweg könnte ein Kooperation mit Daimler sein, die weit über die bisher vereinbarten Inhalte hinausgeht. In früheren Zeiten wäre das ein Tabu gewesen. In Zeiten globaler Auto-Partnerschaften dürfte BMW kaum darum herumkommen, sich mehr als bisher zu öffnen.